Auf die Probe gestellt (Johannes 6,1-13)
Gottesdienst am 10.08.2014 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
gerade hatten wir den Gelähmten am Teich Bethesda kennengelernt. Er war 38 Jahre krank und wurde von Jesus gefragt: „Willst du gesund werden?“ Statt begeistert zu antworten: „Ja, ich will“, wies er auf die anderen, die angeblich schuld daran waren, dass er immer noch an diesem Teich lag. Jesus machte ihn gesund, aber der Geheilte hielt sich nicht zu seinem Retter, sondern verriet ihn an seine Gegner. Er war zwar gesund, aber nicht im Sinne Gottes heil geworden.
Auf dieses Negativbeispiel folgt im Johannesevangelium eine Begebenheit, die davon handelt, was es bedeutet, bei Jesus zu bleiben und mit ihm zu leben. 

Johannes 6,1-13

Danach fuhr Jesus über den See von Galiläa, der auch See von Tiberias heißt. Eine große Menge Menschen folgten ihm, weil sie seine Wunder an den Kranken gesehen hatten. Jesus stieg auf einen Berg und setzte sich mit seinen Jüngern. Es war kurz vor dem jüdischen Passafest. Jesus blickte auf und sah die Menschenmenge auf sich zukommen. Er wandte sich an Philippus: »Wo können wir Brot kaufen, damit alle diese Leute zu essen bekommen?« Das sagte er, um Philippus auf die Probe zu stellen; er selbst wusste schon, was er tun würde. Philippus antwortete: »Zweihundert Silberstücke wären nicht genug, um so viel zu kaufen, dass jeder auch nur einen Brocken abbekommt.« Andreas, ein anderer Jünger, der Bruder von Simon Petrus, sagte: »Hier ist ein Junge, der hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische. Aber was ist das schon bei so einer Menschenmenge?« »Sorgt dafür, dass die Leute sich setzen«, sagte Jesus. Es gab viel Gras an dem Ort. Sie setzten sich; ungefähr fünftausend Männer waren da. Jesus nahm die Brote, sprach darüber das Dankgebet und verteilte sie an die Menge. Mit den Fischen tat er dasselbe, und alle hatten reichlich zu essen. Als sie satt waren, sagte er zu seinen Jüngern: »Sammelt die Brotreste auf, damit nichts verdirbt.« Sie taten es und füllten zwölf Körbe mit den Resten. So viel war von den fünf Gerstenbroten übrig geblieben. 

Die Situation

Alle vier Evangelien berichten über den Hunger von deutlich mehr als 5000 Menschen, setzen dabei aber unterschiedliche Schwerpunkte. Der Evangelist Johannes ist kein biographischer Erzähler. Er scheint die anderen Evangelien vorauszusetzen und greift einzelne Geschehnisse besonders heraus. Um es in einem Bild zu sagen: Die anderen Evangelien beschreiben eine Reise durch ein unbekanntes Land, indem sie die Sehenswürdigkeiten jedes Tages aufführen. Johannes baut auf diesem Bericht auf und greift nur besondere Stationen heraus, die er in verschiedenen Perspektiven darstellt. So betont er hier nicht das Wunder der Brotvermehrung, sondern stellt zwei Jünger, die mit ihm unterwegs sind, in den Mittelpunkt, Philippus und Andreas. Das Ereignis ist eingebettet in zwei Bergetappen. Jesus ist mit seinen Jüngern auf einem Berg und sieht im Tal viele Menschen, die ihn suchen. Er steigt herab zu ihnen. Nach der Brotvermehrung entzieht er sich ihnen wieder und geht zurück auf den Berg. Das Wunder selbst wird zur Prüfung für die Jünger und zu einem Kurs in Sachen Christsein. Vielleicht wird es auch zu einer Anfrage für mich. Würde ich die Prüfung Jesu bestehen?

Philippus und Andreas

Von Philippus und Andreas hören wir schon zu Beginn des Johannesevangeliums. Sie waren Jünger der ersten Stunden. Seither leben sie mit Jesus eng zusammen, hören ihm zu, beobachten seine machtvollen Taten und befolgen seine Aufträge. Hier nun scheint Jesus stehenzubleiben, sich zu ihnen umzudrehen und sie zu fragen: Glaubt ihr wirklich das, was ich euch sage? Jesus sieht die vielen Menschen und spürt ihren Hunger. Er fragt die Jünger: Wo können wir etwas zu essen herbekommen?

Wenn ich von der Kirche nach Hause fahre, muss ich anhalten, um links auf die Weilstraße abzubiegen. Wenn ich einen Beifahrer habe, sagt er mir manchmal: rechts ist frei. Doch je nach dem, ob ich ihm vertraue, schaue ich doch selbst nochmal nach rechts und vergewissere mich. So kommt es leicht vor, dass ich den idealen Zeitpunkt zum Abbiegen verpasse und schon wieder neue Autos kommen. Ich muss warten. Diese Szene im Tal bei 5000 Menschen erinnert mich an die Abzweigung. Werden die Jünger auf Geheiß Jesu losfahren, oder lieber stehenbleiben, weil sie sich nicht sicher sind?

Philippus ist wohl ein guter Rechner. Im Nu hat er ausgerechnet, dass 200 Silberstücke nötig wären, um wenigstens eine Kleinigkeit für jeden zu besorgen. Im Klartext bedeutete das, 200 Tagelöhne zusammenzubringen oder 40 Wochen zu arbeiten. Woher sollte man aus dem Stand so viel Geld nehmen? So wendet er ein „wir müssten“, ein typischer Einwand von Nachfolgern Jesu bis heute. Auf die Aufforderung, das Evangelium in die Welt zu tragen und Brot des Lebens zu verteilen, antworten wir gerne: 

  • Wir müssten erst unser geistliches Leben intensivieren. Wir müssten dafür mehr Zeit am Morgen und mehr Ruhe haben, eine bessere Bibellese finden oder mit einem Freund zusammen Glauben teilen. Wir müssten eine andere Gemeinde haben, in der geistliches Leben mehr angeregt wird, oder ein ermutigenderes Umfeld.
  • Um unsere Freunde zum Glauben einzuladen, müssten wir erst eine Schulung durchlaufen, um über den Glauben sprachfähig zu werden. Andere Freunde, die offener für den Glauben sind, müssten es auch sein. Zudem müssten sich erst passende Gelegenheiten bieten, wir wollen ja nicht mit der Tür ins Haus fallen.
  • Um an unserer Arbeitsstelle von Jesus zu erzählen, bräuchten wir wohl erst einen anderen Beruf, einen anderen Arbeitsplatz und andere Kollegen, die uns im Glauben unterstützen.
So ist bei allem Nachdenken klar, um Jesus gehorchen zu können, müssten sich erst ganz viele Dinge ereignen, sonst macht es keinen Sinn.

Und nochmal zurück zur Kreuzung in Brombach: Es kommt zwar schon länger kein Auto mehr von rechts, aber wir bleiben trotzdem stehen und biegen nicht links ab – warten mit Philippus, bis 200 Silberstücke vom Himmel regnen.

Andreas ist einen Schritt weiter als Philippus. Er blockt nicht sofort ab, sondern lässt seinen Blick schweifen. Er sieht einen Jungen mit 5 Broten und 2 Fischen, aber „was hilft das bei so vielen Menschen?“ Mutlos winkt er ab, denn dieses Essen ist eindeutig zu wenig für all die Leute.

Kennen wir nicht auch diese Haltung? Mein kleiner Beitrag rettet die Welt nicht, also lass ich es gleich ganz sein. Aber würde je jemand in die Weltmission gehen, ist doch sein Dienst in Malawi oder in einer Favela in Brasilien auch nur ein Tropfen, der gleich in der Sonne verdampft. Würde sich je jemand um einen Überfallenen am Weg kümmern, da er ja nicht die anderen 1000 retten kann, die auch irgendwo überfallen wurden. Würde jemand nur eine Stunde seiner kostbaren Lebenszeit für die Gemeinde opfern angesichts des Elends in der Weilt? Damit könnte er doch nichts bewegen. Und würde irgendjemand die Kraft aufbringen, einen Chor zu leiten, wo das Gotteslob doch schon bei den Tagesnachrichten wieder erstirbt?

„Wir müssten“ und „was hilft es“ sind Totschlagargumente. Wer sie benutzt, kapituliert vor dem Auftrag Jesu und hat letztlich die Prüfung nicht bestanden. Dagegen den Auftrag zu sehen und anzunehmen, würde bedeuten zu sagen: „Hier sind 5 Brote und 2 Fische, mach Du etwas daraus“.
 

Jesus
Jesus geht auf die Totschlagargumente nicht ein, sondern gibt den Jüngern einen Auftrag, den sie ausführen können. Sie sollen die mehr als 5000 Leute dazu bewegen, sich auf der Wiese zu lagern.

Zum einen knüpft er hier an die Fähigkeiten der Jünger an. Großen Glauben haben sie nicht, aber Menschen dazu zu überreden, sich hinzusetzen, das können sie offensichtlich. Können wir das nicht auch? In der Hektik unseres Alltags geben wir Impulse stehenzubleiben, sich hinzusetzen, zur Ruhe zu kommen und Jesus dabei zu erfahren. Vielleicht können wir auch in unseren persönlichen Beziehungen Mut zum Stillhalten machen, Gelassenheit vorleben. Auch unsere Gottesdienste und Zusammenkünfte sollten so gestaltet sein, dass unsere Freunde sich setzen können, liebevoll auf die Begegnung mit Jesus vorbereitet werden. 

Zum anderen übergeben die Jünger Jesus Brote und Fische. Sie werfen sie nicht selbst in die Menge. Jesus vermehrt das Brot und gibt sich selbst an die Menschen. Die Nahrungsmittel werden zur Erfahrung, dass Jesus mitten im eigenen Leben gegenwärtig ist. Unser Können, unser Singen, unsere Zeit und unser Geld können wir ihm geben, er wird etwas daraus machen. Mitwirken können wir wie die Jünger. Sie sammelten die Brotreste wieder ein. So wird Jesus auch uns einbinden in sein Wirken und uns das machen lassen, was wir am besten können. Ziel ist, dass nicht die Jünger gefeiert werden, sondern Gott gelobt wird.

Die richtige Antwort auf Jesu Prüfung lautet somit:
„Wir haben nicht genug, aber du kannst mit unseren  fünf Broten und zwei Fischen alle satt machen. Du kannst Menschen, die wir einladen, sich einen Moment Zeit zu nehmen, satt machen und ihnen Vertrauen zu dir schenken. Gebrauche uns für deine Sache.“

Cornelia Trick


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