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Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Stellen Sie sich ein Orchester mit allen möglichen Instrumenten vor, Streichern, Bläsern, dem Schlagwerk. Alle Instrumente sind wichtig, aber nur eines hat normalerweise die Führung, die erste Geige. Mancher würde sofort bestätigen, dass in seinem Leben Jesus Christus die erste Geige spielt. Er möchte, dass Jesus den Ton in seinem Leben angibt, ihm klar macht, welchen Weg er gehen soll. Doch ist es wirklich die erste Geige, die im Orchester die Führung hat? Ist es nicht vielmehr der Dirigent, der das Orchester anleitet? Vielleicht ist dieser Jemand bereit, Jesus die erste Geige spielen zu lassen. Aber behält er als Dirigent selbst die Kontrolle über alles? Dann kann er doch sein eigenes Ding drehen und die erste Geige auf ihren Platz verweisen. Wer ist der Dirigent in unserer Gemeinde? Sind wir es, das Leitungsgremium, einzelne Gewählte, die Jesus in die erste Geige setzen und doch alles selbst unter Kontrolle haben wollen? Oder ist Jesus Christus der Dirigent, der uns zusammenhält und uns voranbringt, dass wir zu Gottes Ehre zusammen arbeiten und leben können? Der Kolosserbrief ist an
Christen geschrieben worden, die in ähnlicher Situation wie wir heute
lebten.
Die junge Gemeinde war für die Christen, die neu zum Glauben gekommen waren, ein Zufluchtsort. Sie lernten dort einen alternativen Lebensentwurf kennen, mussten sich aber viel Neues von einem völlig anderen Verständnis von Gottes Gegenwart lernen. Der Brief, der wahrscheinlich von einem Paulus nahe stehenden Mitarbeiter in seinem Namen verfasst wurde, geht auf diese Situation ein. Er kann als Glaubenskurs für die junge Gemeinde gelesen werden und hat das Ziel, das ganze Orchester mit dem Dirigenten Jesus Christus zu beschreiben. Kolosser 1,15+18-20 Jesus ist Bild des unsichtbaren Gottes, Haupt der Gemeinde, Erstgeborener aus den Toten, Fülle und Versöhnung. Diese fünf Prädikate beschreiben Jesus. Um den Weg des Glaubens nachzuzeichnen, wird ihre Reihenfolge leicht verändert. Jesus ist Bild des unsichtbaren Gottes Jesus ist der Dirigent der Welt, an ihm führt kein Weg vorbei, im Gegenteil, alle Wege führen zu ihm hin. Wer den Stadtplan von Karlsruhe kennt, weiß, dass die Straßen der Innenstadt sternförmig auf das Schloss zulaufen. So kann man sich Jesus vorstellen, auf den alle Wege zuführen. Die Menschen sind unterschiedlich, die da unterwegs sind, die Glaubenswege sind verschieden, doch das Ziel ist für alle gleich, die Menschheit ist unterwegs zu Gott, der in Jesus alles in allem ist. Jesus ist Versöhnung In einem Land herrscht Bürgerkrieg, zwei verfeindete Bürgerkriegsparteien stehen sich gegenüber. Die eine Partei will Frieden und neue Gemeinschaft, die andere Partei will Autonomie und eine Grenze im Land. Dabei übersieht sie, dass alle Rohstoffe auf der Seite der Friedenspartei liegen. Sie würde sich durch eine Abtrennung den Lebensnerv durchschneiden. Der Kampf scheint aussichtslos. Immer wieder bietet die eine Partei Frieden an, doch die andere schlägt den Frieden aus, sie will Unabhängigkeit. So schickt die Friedenspartei den Sohn ihres Anführers als Diplomaten mit neuem Friedensangebot zur Autonomiepartei. Der Diplomat hält das Schreiben in der Hand und befindet sich augenblicklich zwischen den Fronten. Die Autonomen sehen in ihm den Feind und bringen ihn um. Jetzt würde jeder mit einer Eskalation des Bürgerkrieges rechnen. Doch das Gegenteil geschieht. Die Friedenspartei verzichtet auf Vergeltung und lässt den Gegnern übermitteln: „Unser Kampf gegeneinander ist beendet. Wir vergelten eure Tat nicht. Von uns aus hat der Tod des Einen die Strafe für eure Gräuel getilgt. Wir vergeben euch und bieten euch an, in Frieden mit uns zu leben ohne Bedingungen. Ihr könnt euch unabhängig machen, aber ihr habt alle Rohstoffe nur, wenn ihr mit uns Frieden schließt. Von uns aus ist das jetzt möglich. Das sinnlose Morden soll aufhören. Wenn ihr euch auf den getöteten Diplomaten beruft, ist der Friede besiegelt.“ Diese politische Geschichte
konnten die Leute in der Gemeinde Kolossäa verstehen. Sie übertrugen
sie auf ihr Verhältnis zu Gott. Gott bot ihnen in Jesus Frieden an.
Sie konnten sich auf ihn berufen und waren wieder mit Gott im Reinen. Sie
mussten keine Angst mehr vor Dämonen oder bösen Engeln haben.
Da Gott auch sie in den Frieden einschloss, waren Engelmächte keine
Feinde mehr. Der Engelkult hatte sich erübrigt, niemand musste mehr
durch Opfer gnädig gestimmt werden. Der Friede, den Jesus durch seinen
Tod in die Welt brachte, galt, Gott und Mensch waren wieder vereint.
Jesus ist der Erstgeborene von den Toten Christen müssen den Tod nicht fürchten. Sie haben Mut, sich auch an ausgesetzte Stellen des Lebens vorzuwagen. Sie können ihr Leben einsetzen, weil sie wissen, mit dem Tod ist nichts vorbei, Gott wird mit ihnen weitermachen in einem neuen Leben bei ihm. So wundert es nicht, dass sich Christen immer wieder in gefährlichen Missionen befinden, um anderen das Friedensabkommen Gottes weiterzusagen. In John Wesleys Tagebuch aus der Mitte des 18.Jahrhunderts lesen wir von seiner Überfahrt nach Amerika, er wollte dort als Missionar tätig sein. Sehr beeindruckte ihn eine Gruppe von Christen, die in schwerer Seenot miteinander völlig gelöst Lieder sang. Sie wussten, dass sie jeden Moment untergehen konnten. Aber ihre Hoffnung, mit dem Erstgeborenen von den Toten selbst in Gottes Welt zu kommen, war stärker als alle Angst. Sind wir nicht oft weit davon entfernt, so gewiss und sorglos durch unseren Alltag zu gehen? Schon kleinere Stürme können uns Angst einjagen. Jesus will uns helfen: Wir können ihm vertrauen, er nimmt uns mit, selbst wenn wir irgendwann aus diesem Leben scheiden werden. Seine Hand lässt uns auch dann nicht los. Er nimmt alle Geschwister mit in sein Reich. Jesus ist das Haupt der Gemeinde Damit ist die Gemeinde ganz besonders qualifiziert. Sie ist Jesus so nahe wie sonst nichts. Sie lebt mit ihm zusammen, wird von ihm dirigiert, wird von ihm zum Wachsen angeregt. Ein Leib ist nämlich kein statisches Gebilde, sondern wächst, verändert sich ständig. Wachsen ist mit Schmerzen verbunden. Wir hätten es ja so gerne einfacher, ohne Reibungsverluste, ohne Schmerzen, ohne Meinungsverschiedenheiten und lange Diskussionen. Aber genau die schwierigen Wegabschnitte lassen zusammenwachsen, führen zu vertiefter Gemeinschaft und größerer Abhängigkeit zu Jesus. Gerade wenn wir nicht weiterwissen, erfahren wir Jesus hautnah in der Gemeinde. Wo Wachstum ist, ist auch Hoffnung. Niemand ist fertig, keine Gemeinde muss sich aufgeben, solange sie sich an Jesus hält. Es wird Veränderungen geben, Gebäude werden geschlossen, aber die Gemeinde Jesu bleibt bestehen auch in anderen äußerlichen Gegenbenheiten. Jesus ist Fülle Christen sollten der Theorie nach gefüllt sein, warum fühlen wir uns so oft leer oder nur halb voll? Warum sind Theorie und Praxis nicht deckungsgleich? Drei mögliche Erklärungen: Wir schätzen nicht wert, was wir geschenkt bekommen haben. Wir wollen immer mehr oder das ganz Besondere. Ein Vergleich dazu: Ich stehe vor meinem vollen Schrank und habe mal wieder nichts zum Anziehen. Sie würden sagen, dass ich doch jede Menge da in meinem Schrank habe, aber ich suche das Eine, was da gerade nicht drin ist, werde unzufrieden und stürze mich ins Einkaufszentrum. Verrückt, nicht? So geht es uns vielleicht auch mit unserer Fülle. Wir schätzen sie nicht wert, weil wir sie noch gar nicht richtig entdeckt haben. Es lohnt sich, innezuhalten und auf Entdeckungsreise zu gehen. Was hat Jesus mir für eine Fülle geschenkt? Und brauche ich wirklich noch mehr? Die Fülle Jesu lebt vom Weiterfließen. Das Tote Meer, so las ich, ist versalzen, weil es keinen Abfluss hat. Das Wasser staut sich, verdunstet, und das Salz bleibt zurück, es ist totes Wasser. Eine Studie, die in Gemeinden durchgeführt wurde, brachte zutage, dass viele langjährige Christen Schwierigkeiten mit ihrem geistlichen Leben haben und Gottes Gegenwart kaum noch erleben. Gefragt, wo die Ursache dafür liegt, kam heraus, dass sie ihren Glauben nie eingesetzt haben, um anderen davon etwas weiterzugeben. Sie haben immer darauf gewartet, noch mehr für sich selbst zu bekommen. Die Öffnung ist zu klein, um die Fülle Jesu aufzunehmen. Sie kennen das ja sicher, man hat eine Blumenvase mit kleiner Öffnung und will Wasser einfüllen. Der Strahl ist viel zu groß und zu stark, es dauert ewig, bis die Vase voll ist. Eine kleine Öffnung für den Glauben können unsere eigenen Glaubenssätze sein. Wir wissen genau, wie Jesus an uns und anderen wirken kann, wir sind nicht bereit, unseren eigenen Blick weiten zu lassen. Wir sind selbst die Dirigenten und trauen Jesus nur die 1. Geige zu, unsere eigenen Vorstellungen bestimmen unseren Glauben. Vielleicht zeigt Jesus uns, dass er viel größer ist, dass seine Fülle reicher fließen kann und macht uns bereit, uns für die ganze Fülle zu öffnen. Der Christushymnus des Kolosserbriefes zeigt uns, Jesus ist die Hauptsache, er trägt alles, ist Mittler der Schöpfung, Haupt der Gemeinde, Erstling der Toten und Fülle und Versöhnung. Unser Glaubenskurs nimmt von ihm aus den Anfang. Nur wenn wir ihn kennen und ihm vertrauen, heißen wir zu Recht Christen. Cornelia
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