Dein ist Reich, Kraft und Herrlichkeit (Matthäus 6,13b)
Gottesdienst am 29.10.2017 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
an einem Spätsommertag saß ich auf einem Marktplatz und beobachtete die Leute. Ein Junge fuhr mit dem Fahrrad umher, seine Eltern saßen am Rand des Platzes und schauten zu. Auf einmal verfing sich sein Fuß im Pedal, im Zeitlupentempo sah ich ihn auf dem Fahrrad schlingern und schließlich umfallen, ein fieser Sturz. Er weinte auch sofort und fasste sich ans Bein, offensichtlich tat ihm das weh. Sofort sprangen seine Eltern auf und liefen zu ihm. Sie beugten sich über den Jungen, der Junge schaute von seinem Bein auf in die Gesichter der Eltern über ihm. Sofort wurde sein Weinen leiser. Da kam Hilfe, sozusagen von oben, und er wusste, dass alles wieder gut werden würde.

Die letzten Wochen haben wir uns mit den Bitten des Vaterunsers beschäftigt. Es waren Bitten gegen die Not, als wenn man auf dem Boden liegt und aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen kann. Wenn das Brot alle ist, die Schuld übermächtig auf der Seele liegt und das Böse einen fest im Griff hat, ist es schwer, den Blick aus dem Elend zu heben. Doch Gott erhört Bitten. Er gibt das tägliche Brot, er vergibt und hilft zu vergeben. Er bewahrt vor Versuchungen und erlöst aus den Stricken des Bösen.

Diese Erfahrung lässt den Kopf heben, die Hilfe ist schon längst auf dem Weg. Meine Bitten bleiben nicht an der Zimmerdecke hängen. Der Vater im Himmel ist aufgesprungen  und hat die Angelegenheiten selbst in die Hand genommen. Richten wir den Blick auf Gott, wird uns bewusst, dass Gott kann und wird. Durch den Perspektivwechsel sehen die Berge nicht mehr von unten unüberwindbar aus, sondern wirken von oben niedrig und überschaubar.

In den ursprünglichen Handschriften des Matthäusevangeliums fehlt der letzte Satz. Sie enden mit „erlöse uns von dem Bösen“. Aber immer schloss man wie bei jedem Gebet ein ganz individuelles Lob auf Gott an. Im 2.Jahrhundert wurden die Gemeinden zunehmend bedrängt und erlebten Verfolgungen. Das Blicken auf Gottes Möglichkeiten wurde wichtiger. Aufzusehen zum Herrn, befreite von Lebensangst. So verfestigte sich das Gotteslob zu einer festen Formel. Sie war besser zu merken und zu lernen, ließ sich gemeinsam sprechen und verband Gemeinden untereinander.

Das Ende des Vaterunsers entfaltet seine Kraft besonders in den Tiefen des Lebens. Doch wie wir einen Reifenwechsel bei einer Reifenpanne bei Sonnenschein und milden Temperaturen üben sollten, nicht wenn der Reifen auf der Autobahn bei Starkregen und Nacht platt ist, so hilft es auch, den Lobpreis Gottes einzuüben, wenn es uns gut geht. Es ist ein Üben für die Not. Wir lernen uns Gott anzuvertrauen, auf ihn zu schauen, weil wir wissen, er kümmert sich um uns. Im Lobpreis bergen wir uns in Gottes Armen.

Nun zu den drei wichtigen Aussagen:

Matthäus 6,13b
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Dein ist das Reich
Das Reich Gottes ist vorgestellt als eine Gegenwelt zu einem Unrechtsregime, das unterdrückt und willkürlich verfolgt wie es im römischen Reich seinerzeit geschah. Es wird zum einen zukünftig beschrieben. Da wartet am Ende unseres Lebens und der Welt ein Land, in dem Gott allein mit seiner Liebe regiert. Er ist mitten unter den Menschen, trocknet Tränen und vertreibt die Not. Zum anderen wird Gottes Reich auch gegenwärtig gedacht. Es ist schon da, aber hier bei uns immer nur wie ein Sonnenstrahl oder ein geöffneter Himmel wahrzunehmen. Es sind die „himmlischen Momente“ , in denen Gottes Reich erfahrbar wird. Die Gemeinde Jesu ist in besonderer Weise ein Außenposten des Reiches Gottes. An die Gemeinde hat sich Jesus gebunden, dort ist er gegenwärtig. Im Hören auf Gottes Willen, im gemeinsamen Reden mit Gott, im Mitgehen mit den Geschwistern des Glaubens wird dieses Reich sichtbar und erfahrbar. 

Wer zu Gottes zukünftiger und doch auch gegenwärtiger neuen Welt gehört, ist dort zuhause. Er gehört dort selbstverständlich hin. Niemand wird ihn fragen: „Wo kommen Sie her?“.  Er hat einen Platz, wo er hingehört, ein Namensschild an der Tür, wo er zuhause ist. Da wir alle in dieser neuen Welt noch nicht dauerhaft leben, ist es unser Zufluchtsort, wie eine Ferienwohnung am Meer oder in den Bergen. Ein Sehnsuchtsort, wo unsere Gedanken mitten im normalen Alltag hinwandern können.

Die Gemeinde als Außenposten gibt uns Heimat. Hier haben wir ein selbstverständliches Zuhause, Aufgaben, Mitverantwortung und Mitgestaltungsmöglichkeiten. Doch ist dieser Außenposten noch nicht der Himmel. Er wird begrenzt durch unsere menschliche Schwäche und die Bedingungen dieser Welt. Weil Jesus mit der Gemeinde unterwegs ist, erfahren wir auch in den anstrengenden Zeiten seine Nähe und seine Hilfe und damit auch wieder ein Stück Himmelreich.

Dein ist die Kraft
Ich hätte gerne Gottes Kraftfutter. Ich stelle mir vor, ich esse jeden Morgen eine Schale davon und werde so stark, dass ich alle Aufgaben selbst bewältigen kann. Doch so funktioniert Gottes Kraft nicht. Er gibt uns nicht Kraftfutter zum Selbst-Stark-Werden, sondern sagt uns zu, dass er mit seiner Kraft an unserer Seite bleibt.

Ein kleines Beispiel: Der Gruppenraum muss umgeräumt werden. 10 Tische und die dazu gehörigen Stühle müssen gestellt werden. Die Tische sind so schwer, dass ich sie nicht allein heben, die Beine ausklappen und aufstellen kann. Hätte ich Gottes Kraftfutter gegessen, wäre das natürlich kein Problem. Ich könnte die Aufgabe in zehn Minuten meistern wie Obelix. Doch in diesem bildhaften Vergleich steht Gott wie ein starker Freund neben mir. Er kann die Tische aufbauen, doch er will gebeten sein. Und wie bei einem Freund, so will auch diese Freundschaft gepflegt werden. Einen Schulfreund, den ich das letzte Mal vor zig Jahren gesehen habe, werde ich ja auch nicht bitten, diese Tische aufzustellen. 

Gottes Kraft ist für uns da, er will gebeten sein, mit uns durch das Leben zu gehen. Die Gemeinde hilft, denn seine Kraft ist auch in den Geschwistern spürbar. Jemand hat etwas mit Gott erlebt, es wird zu meiner Erfahrung. Jemand erwartet mich im Gottesdienst, das spornt mich an. Vielleicht hätte ich mich nochmal im Bett herumgedreht, aber ich weiß, sie wäre enttäuscht, wenn ich nicht komme. Und eigentlich tut es mir ja gut, schlafen kann ich auch noch nachmittags.

Dein ist die Herrlichkeit in Ewigkeit
Herrlichkeit ist ein aus der Mode gekommener Begriff. Wir reden im Alltag selten von Herrlichkeit. Doch spüren wir nach, welche Bilder uns bei diesem Begriff kommen, sind es wahrscheinlich Momentaufnahmen von Licht, Wärme, Schönheit, Stimmigkeit, Glück. Das alles und noch viel mehr steckt in diesem Wort.

Es ist eine Ansage gegen die Abwärtsspirale in den Tod. Statt den Blick auf das Ende und das Grab zu richten, zieht uns Herrlichkeit nach oben, sie ist der Fluchtpunkt, zu dem wir besonders in Notlagen hin unterwegs sind. Die Herrlichkeit Gottes ist noch Zukunftsmusik für uns, aber den Pass und das Bürgerrecht dort haben wir in der Hand, seit wir zu Jesus Ja gesagt haben. In den dunklen Zeiten unseres Lebens wird dieser Pass wichtig. Gut, wenn wir wissen, wo er liegt.

Heute kann uns der Lobpreis Gottes Wichtiges mitgeben:

  • Wir können dankbar dafür sein, in Freiheit unseren Glauben zu leben. Auch das ist schon ein Stück Reich Gottes hier auf Erden.
  • Wir können dankbar für jedes öffentlich gesungene Loblied sein, es ist ein Gruß des Himmels.
  • Wir können dankbar für jede Möglichkeit sein, uns als Gemeinde zu treffen. Das Zusammenkommen um Jesus ist unsere Kraftquelle.
  • Wir können dankbar sein, dass wir in aller Not dieser Tage einen Fluchtpunkt haben, der uns vom Boden hebt und uns Zukunft zusagt.
Cornelia Trick


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