Den Glauben im Arbeitsalltag leben (Römer 12,9-16)
Gottesdienst am 09.09.2012

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
ein Christ geht sonntags in den Gottesdienst, wird erfüllt von Gottes Gegenwart, lernt von Jesus, badet in der Liebe der Glaubensgeschwister. Sonntagabend holt er einen Taucheranzug aus dem Schrank, zieht ihn an und legt ihn die Woche über nicht mehr ab. So übersteht er den Sprung in die Alltagsgewässer und bewahrt sich die Sonntagsstimmung im tosenden Wochenstress-Meer. Sonntags legt er dann wie immer den Taucheranzug für einen Tag in den Schrank, um sich neu von Gottes lebendiger Quelle füllen zu lassen.

Der Vorteil liegt auf der Hand, nichts kann die Woche über seinen Glauben erschüttern. Der Nachteil, er ist unempfindlich für Themen und Menschen des Alltags. Er kann keine Verbindung von Sonntag und Wochentag herstellen. Gott erwartet er nur sonntags, auch gegenüber ihm ist er wochentags unempfindlich. Andere aus seiner Umgebung nehmen an seinem Glauben nicht teil.

Heute stellt sich uns innerhalb der Themenreihe „Glaube am Montag“ die Aufgabe: Den Glauben im Arbeitsalltag leben. Beim Suchen nach einer biblischen Aussage zum Arbeitsalltag bin ich auf den ersten Blick nicht fündig geworden. Anweisungen zum Leben sind in den Briefen des Neuen Testaments immer auf die Gemeinde, höchstens noch auf die Familie oder das Familienunternehmen „Bauernhof“  gerichtet. Ist das vielleicht der Grund, warum wir so gerne Taucheranzüge für die Alltagsbewältigung tragen, warum wir uns viel intensiver Gedanken machen, wie unser Gemeindeleben besser werden kann, als dass wir über Kollegen und Nachbarn nachdenken? Mag sein. Doch auf den zweiten Blick geben gerade diese Bibelstellen auch Auskunft über den Alltag. Lesen wir die Hilfestellungen der Apostel mit einer unvoreingenommenen Brille und ohne die Überschriften der Bibelübersetzer („Anweisungen für das Leben der Gemeinde“), entdecken wir puren Alltag und jede Menge Anregungen, Glaube am Montag ohne Taucheranzug konkret werden zu lassen.

Römer 12,9-16

Die Liebe darf nicht geheuchelt sein. Verabscheut das Böse, tut mit ganzer Kraft das Gute! Liebt einander von Herzen als Brüder und Schwestern, und ehrt euch gegenseitig in zuvorkommender Weise. Werdet im Eifer nicht nachlässig, sondern lasst euch vom Geist Gottes entflammen. Dient in allem Christus, dem Herrn. Seid fröhlich als Menschen der Hoffnung, bleibt standhaft in aller Bedrängnis, lasst nicht nach im Gebet. Sorgt für alle in der Gemeinde, die Not leiden, und wetteifert in der Gastfreundschaft. Wünscht denen, die euch verfolgen, Gutes. Segnet sie, anstatt sie zu verfluchen. Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Traurigen. Seid alle miteinander auf Einigkeit bedacht. Strebt nicht hoch hinaus, sondern haltet Gemeinschaft mit den Verachteten. Verlasst euch nicht auf eure eigene Klugheit. (Gute-Nachricht-Bibel)

Wenn wir von Arbeitsalltag sprechen, so sind Alltage von Schülern und Auszubildenden, Arbeitern und Rentnern, Verantwortlichen und Selbstständigen, Familienmanagerinnen und Lehrenden, ehrenamtlich Tätigen und abhängig Beschäftigten im Blick. Alltag ist die Zeit, in der wir etwas tun, das nicht immer unsere Leidenschaft ist, das uns Kraft kostet, aber auch zufrieden macht, das uns hilft zu überleben und dazu beiträgt, dass wir anderen helfen. Im Alltag kommen wir Gottes Schöpfungsauftrag nach, über die Erde zu herrschen, indem wir sie bebauen und bewahren (1.Mose 1-2)
Die Lebenshilfe, die Paulus uns hier gibt, gilt für alle Tage der Woche.

Sonntag

Uns werden Hinweise für das Gemeindeleben gegeben. Gemeinde ist offenbar die Basis, um den Alltag zu bestehen. Wie eine Familie Kraftquelle für das normale Leben sein kann, bei Schwierigkeiten aber geradezu blockiert, so ist auch Gemeinde Kraftquelle oder Hindernis, den Montag zu bestehen. Paulus will beitragen, dass sie wie ein sicherer Boden für uns ist.
  • Gegenseitige Liebe und Achtung
Liebe ist inspiriert durch Jesus Christus. Wir sollen uns nicht lieben als Mittel zum Zweck, um die eigenen Ziele durchzubringen. Etwa, um Entscheidungen in unsere Richtung voranzutreiben oder um selbst anerkannt zu werden. Liebe soll unser Miteinander bestimmen, die frei ist, sich ganz dem Anderen ohne Hintergedanken zuzuwenden. Die gegenseitige Achtung schließt Neid und Konkurrenzdenken, aber auch Gleichgültigkeit aus. Jeder und jede hat etwas, das anerkennenswert und wichtig für die Gemeinschaft ist. So schnell überspringen wir das „gegenseitig“. Doch wenn eine Seite liebt und die andere sich auf Dauer lieben lässt und sich nicht um die Gemeinschaft kehrt, wird sich die Liebe neutralisieren, sie hat keine Ausstrahlungskraft, sondern verebbt im Gemeindeleben. Von außen gewinnt man den Eindruck, dass diese Gemeinde sich um sich selbst dreht in ihren Taucheranzügen.
  • Fürsorge füreinander in Alltagsnot
Bei aller Alltagsbewältigung der Einzelnen rückt Paulus die Gemeinschaft in den Mittelpunkt. Gemeinde kann nur starke Basis sein, wenn sie gesund ist. Wir werden hier stark in Frage gestellt. Kümmern wir uns um die Not der Geschwister in der Gemeinde? Reden wir nur gut zu oder handeln wir auch? Gilt hier das Motto: Bei Geld hört die Freundschaft auf, oder greifen wir uns unter die Arme? Lassen wir uns andererseits unter die Arme greifen, legen wir unsere Not offen? Praktizieren wir Vertrauen, das Jesus uns so ans Herz legt? Und wenn nicht in der Gemeinde, wo dann?
  • Einigkeit in der Gemeinde
Einigkeit ist nicht Gleichheit. Wir sind verschieden, doch einig in unserem Wissen um den Ursprung des Lebens, um Gottes Willen, um das Ziel des Lebens und der Welt. Uneinigkeit möchte ich an einem Beispiel illustrieren. Dieses Jahr haben wir die Möglichkeit, einen Stand auf dem Neuenhainer Herbstmarkt zu betreiben. Der Gewerbeverein will unseren Umbau unterstützen und widmet uns auch das von allen verkaufte Herbstmarktglas mit unserer Kirche darauf. Es ist unsere Gelegenheit, Gemeinde in der Öffentlichkeit zu sein. Wie würde es wirken, wenn die Hälfte unserer Leute stattdessen an diesem Samstag ins MTZ gehen würden, um da zu schoppen? Und vorher beim Einkaufen und auf der Straße erzählen würden, dass der Herbstmarkt ja nicht ihre Sache sei? Ist das glaubwürdig? Zeigt das Einheit? Wollen die Schopper wirklich Menschen zu Jesus führen – wie es in unserem Gemeindeleitsatz heißt? Und wenn ja, warum nicht auf dem Herbstmarkt damit beginnen? Uneinigkeit in der Gemeinde führt zu einem massiven Problem der Glaubwürdigkeit. In einem Haufen, der in verschiedene Richtungen zieht, erwartet niemand den Heiligen Geist, der Einheit schafft.

Die Gemeinde ist Basis und Lehrfeld für den Alltag. Und für den Alltag gibt Paulus 7 handfeste Hilfestellungen:

Liebe ist echt, nicht geheuchelt

Geheucheltes Lächeln kennen Sie sicher auch. Man sieht dem Anderen an, dass er eigentlich ganz andere Gefühle hat, aber er ist zu vornehm und oft zu feige, um sie auszusprechen. Wie lächeln wir am Arbeitsplatz, in der Besprechung, wenn der Kollege oder Mitschüler gerade mal wieder völlig daneben war? Geheuchelt? Oder fassen wir uns ein Herz, beten, dass Gott uns einen Hinweis gibt, wann wir mit dem Kollegen über sein Verhalten reden können? Liebe schließt auch Kritik und Vorbehalte mit ein. Sie geht nicht feengleich über alles hinweg. Aber sie hat das Wohl des Anderen im Blick, nicht seine Zerstörung. So zeigt sich echte Liebe auch in den Gesprächen über Nichtanwesende. Sind wir die, die Tratsch und schlechte Gerüchte beenden, in andere Bahnen lenken? Oder machen wir mit, weil es so gut tut? Liegt mir etwas an meinen Kollegen, und will ich, dass sie durch mich Liebe Gottes erfahren? Oder bin ich eher so ein ganz großer Baum, der sich zwischen Gottes Licht und den Kollegen stellt und alle Liebe Gottes selbst braucht?

Vielleicht ist es eine Hilfe, am Montagmorgen den Blick zum Himmel zu heben und zu beten: „Herr, schenke mir Liebe zu den Menschen, mit denen ich heute zusammenarbeite. Auch zu denen, die mir nicht liegen.

Etwas aufbauen und damit Christus dienen

Mit der Arbeit etwas aufzubauen, diese Welt zu gestalten und ihr zu helfen, sich nach Gottes Willen zu entwickeln, ist eine große Aufgabe. Oft trennen wir. Geistliche und helfende Berufe befördern das Reich Gottes, sogenannte weltliche Berufe sind für das Reich Gottes uninteressant. Aber dieser Blick ist zu kurz. Gerade in den ganz normalen Berufen, in der Technik, in der Fabrik, beim Müll Entsorgen oder in der Werkstatt können wir Jesus Christus dienen, indem wir verantwortungsvoll unsere Arbeitskraft zur Verfügung stellen, seine Welt damit bebauen. Von einem Bergmann las ich, der für diesen Beruf viel zu schmächtig war. Alle lachten ihn bei seinen Praktika aus, weil er so gar nicht in das Bild eines starken Bergmanns passte. Doch er wusste, dass Gott ihn an dieser Stelle haben wollte. Dass Gott etwas mit ihm im Bergbau vorhatte. So machte er seine Ausbildung unverdrossen, studierte noch Bergbau und leitet jetzt ein Untertage-Unternehmen mit besonderem Schwerpunkt, besonders unzugängliche Stellen zu bearbeiten. Er kriecht in enge Schächte und hat manche brenzlige Situation entschärfen können – auch dank seines schmächtigen Körperbaus. Glaube am Montag – auch Untertage im Bergwerk.

Verhalten im Alltag: froh, hoffnungsvoll, standhaft und betend

Ist unsere Haltung froh und hoffnungsvoll, haben wir Ausstrahlung von innen. Hier hilft uns positive Gemeindeerfahrung und das sichere Netz von Betenden, das uns trägt. Wir können den Alltag anpacken mit der Gewissheit, dass Gott da ist und hilft.
Standhaft zu sein, scheint für unsere Mitmenschen dem Christsein eher zu widersprechen. Meint man doch, Christen geben immer nach um der Liebe willen. Aber gerade in den kritischen Situationen ist Standhaftigkeit gefragt. Stehen wir zu unserem Glauben, auch wenn andere darüber den Kopf schütteln? Stehen wir zu der Kollegin, die gemobbt wird? Stehen wir zum Chef, der unter großem Druck steht? Hindern wir Machtmenschen, andere zu bestimmen und über sie hinweg zu bügeln? Und nehmen wir in Kauf, dafür nicht geliebt zu werden?

Das Gebet ist die Begleitmusik des Alltags. Läuft in manchen Geschäften und Praxen von morgens bis abends Radio, sollte bei uns Gottes Gegenwart immer im Hintergrund „mitlaufen“. Wir hören ihn, wir können ihm einen Gedanken rüberschicken, wir brauchen dafür noch nicht mal ein Telefon oder Facebook wie die Radiohörer, die sich ins Programm einschalten.

In Konfrontation segnen

Eine Frau erzählte mir mal, wie ein Nachbar an ihrer Tür stand und sie wegen ihrer Katzen beschimpfte. Sie habe die Hände gehoben und diesen wütenden Nachbarn gesegnet, worauf dieser schnell wieder verschwandt und sich nie mehr beschwerte. So merkwürdig diese Reaktion auf mich wirkte, so zeigt sie einen ganz wesentlichen Aspekt auf. Die Frau hat sich nicht gewehrt, die Auseinandersetzung ist nicht eskaliert, sie hat diesen wütenden Menschen Gott anbefohlen. Wie nötig habe ich diesen Hinweis in den Konfrontationen des Alltags. Wie leicht lasse ich mich verführen zurück zu schlagen, schlechte Gedanken zu hegen und auf Rache zu sinnen. Dabei will Jesus, dass ich ihm die schwierigen Personen übergeben, ihn machen lasse, ihm zutraue, dass er sich kümmert.

Im Miteinander Empathie haben

Wer wären Sie im Gleichnis vom Barmherzigen Samariter? Einer von den beiden, die am Überfallenen vorbei gehen, weil Sie keine Zeit zum Helfen haben, oder der Samariter, der sich unterbrechen lässt? Ich wäre eher eine von den beiden, die vorbei gehen. Ich würde meinen Termin sehen und alles andere ausblenden. Wahrscheinlich würde ich den Überfallenen noch nicht mal bemerken. Doch Jesus lehrt, dass wir uns auch mitten in der Arbeit unterbrechen lassen sollen. Ist da jemand im Büro, der mein Ohr braucht? Der Jesu Trost nötig hat? Der mir von Jesus in den Weg gestellt ist? Dann sollte ich meinen PC verlassen und zu ihm gehen, auch wenn das bedeutet, abends länger am Schreibtisch zu bleiben. Wir sind die, die Jesus zur Wegbegleitung in den Alltag schickt, und da gibt es viele, die er begleitet wissen will

Selbst mit gutem Beispiel vorangehen

Der Arzt, der seinem Patienten dringend rät, das Rauchen einzustellen, und selbst nach Tabak riecht, büßt Glaubwürdigkeit ein. Ein Christ, der davon redet, dass Gott ihn liebt, der aber keinen Finger für die anderen krümmt, wirkt merkwürdig gespalten. Deshalb rät Paulus, das zu tun, wovon wir reden. Meistens bieten sich Gelegenheiten, indem wir das machen, was andere nicht machen wollen – in der Teeküche abwaschen, ein Geburtstagsgeschenk für den Kollegen besorgen, eine Genesungskarte vorbereiten, in schwierigen Situationen für die Schwächeren die Stimme erheben. „Was würde Jesus tun?“ dieser Satz kann uns helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.

Nicht auf eigene Klugheit verlassen

Erfolg verführt zum Hochmut. Deshalb warnt Paulus, sich bei einem gelungenen Projekt, einer Beförderung, einem Lob des Vorgesetzten nicht selbst auf die Schulter zu klopfen. Erfolg ist ein wunderbarer Zeitpunkt, um Gott zu danken, der durch mich etwas Gutes bewirkt hat. Ich darf mich daran freuen und gleichzeitig darum bitten, dass mein Erfolg Hinweis auf den wird, der ihn ermöglicht hat. Wie viel Leid würde verhindert, wenn statt Selbstüberschätzung dankbare Menschen Gottes Gaben zum Wohl der Menschen einsetzen würden. Sie müssten sich kein Denkmal bauen, das sowieso früher oder später zusammenfällt.

Die sieben Handlungsanweisungen für Glauben im Arbeitsalltag können wir in dieser Woche mit Leben füllen. Jesus Christus gibt uns Kraft, Phantasie und Vergebungsbereitschaft, um als Christen auch ohne Taucheranzug im Glauben zu bestehen und zu wachsen.

Cornelia Trick


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