Der Geist macht´s möglich
Gottesdienst am 08.06.2003

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
in der vergangenen Woche sah ich eine Mohnblume in einem großen Strauß. MohnblumenIch war fasziniert, wie gut sie sich hielt, denn Mohnblumen klatschen gewöhnlich sofort zusammen, wenn man sie in die Vase stellt. Beim genaueren Hinsehen allerdings entdeckte ich, dass sie eine perfekte Nachbildung war, eine künstliche Mohnblume, die ihrem Original zum Verwechseln ähnlich sah. Die Blume wurde für mich zu einem Bild für das Pfingstfest. Äußerlich sehen sich Menschen, die vom Heiligen Geist erfüllt sind, und solche, die diesen Geist nicht kennen, zum Verwechseln ähnlich. Man muss schon genauer hinschauen. Dabei entdeckt man einen großen Unterschied. Die einen bekommen ihre Kraft und ihren Lebensmut von dem Geist Gottes, die anderen versuchen, die eigene Kraft zu mobilisieren, ohne Gottes Geist in Anspruch zu nehmen. Gottes Geist setzt einen Stoffwechsel in Gang. Er lässt wachsen, er hilft zur Veränderung, er lässt Früchte entstehen, die neues Wachstum bedeuten.

Das Pfingstfest lädt uns ein, dem Wachsen und Fruchtbringen durch Gottes Geist im eigenen Leben nachzuspüren.

Johannes 15,1-9

Jesus sagte zu seinen Jüngern: "Ich bin der wahre Weinstock, und mein Vater ist der Weinbauer. Er entfernt jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt; aber die fruchttragenden Reben reinigt er, damit sie noch mehr Frucht bringen. Ihr seid schon rein geworden durch das Wort, das ich euch verkündet habe. Bleibt mit mir vereint, dann werde auch ich mit euch vereint bleiben. Nur wenn ihr mit mir vereint bleibt, könnt ihr Frucht bringen, genauso wie eine Rebe nur Frucht bringen kann, wenn sie am Weinstock bleibt. Ich bin der Weinstock, und ihr seid die Reben. Wer mit mir verbunden bleibt, so wie ich mit ihm, bringt reiche Frucht. Denn ohne mich könnt ihr nichts ausrichten. Wer nicht mit mir vereint bleibt, wird wie eine abgeschnittene Rebe fortgeworfen und vertrocknet. Solche Reben werden gesammelt und ins Feuer geworfen, wo sie verbrennen. Wenn ihr mit mir vereint bleibt und meine Worte in euch lebendig sind, könnt ihr den Vater um alles bitten, was ihr wollt, und ihr werdet es bekommen. Die Herrlichkeit meines Vaters wird ja dadurch sichtbar, dass ihr reiche Frucht bringt und euch so als meine Jünger erweist. So wie der Vater mich liebt, habe ich euch meine Liebe erwiesen. Bleibt in dieser Liebe!"

Jesus, der wahre Weinstock

Jesus sagte in seinen Abschiedsreden kurz vor seinem Tod Grundsätzliches über sein Verhältnis zu seinen Jüngern und Jüngerinnen. "Ich bin der wahre Weinstock", durch diese Feststellung setzte er sich von anderen Erlösergestalten ab. Hier hat der christliche Absolutheitsanspruch seine Wurzel. Zu Jesus ist nichts hinzuzufügen, kein anderer Heilsbringer. Er ist der Wahre, alle anderen haben sich an ihm zu messen. Immer wieder wird uns Christen vorgeworfen, mit diesem Anspruch intolerant zu sein und anderen Religionen die Existenzberechtigung abzusprechen. Doch ist es intolerant, überzeugt vom eigenen Glauben zu sein, der auf Jesus Christus gründet und sich im Lebensvollzug bewährt? Das Bild vom Weinstock und seinen Reben lässt doch verstehen, dass ich nur an einem Weinstock wachsen kann. Ich muss mich entscheiden. Wenn ich zu Jesus gehöre, dann ist er der Wahre. Ich kann mich nicht auf verschiedene Weinstöcke aufteilen. Aber ich darf dann auch alles für diese eine Beziehung einsetzen, muss nicht ständig schauen, was die anderen Weinstöcke noch von mir wollen, kann meine Bedürftigkeit und meine Liebe in dieses eine Verhältnis voll und ganz einbringen.

Ist Jesus der wahre Weinstock? Diese Frage beantwortet der Heilige Geist in mir. Er gibt mir die Gewissheit, dass ich mich auf Jesus verlassen kann. Er schenkt mir Vertrauen, alles von Jesus zu erwarten.

Der Weinberg

Jesus beschreibt ein einfaches Bild. Der Winzer ist Gott. Er verhindert, dass irgendein störender Einfluss den Weinstock am Wachstum hindert. Er trägt die Verantwortung für das Projekt Weinstock. Der Weinstock ist Jesus. Die Christen sind seine Reben.

Hier wird das Bild gesprengt. In der Natur kann sich die Rebe nicht entscheiden, ob sie am Weinstock bleibt oder nicht. Christen ist es offensichtlich in ihre Entscheidung gestellt. Sie haben die Freiheit, sich zu Jesus zu halten oder sich von ihm zu trennen. Die Reben, die am Weinstock bleiben, werden vom Heiligen Geist durchströmt und ernährt. Mit seiner Hilfe tragen sie Früchte.

Die Früchte der Christen lassen sich schon beim ersten Pfingstfest in Jerusalem entdecken (Apostelgeschichte 2). Die Jünger hatten Angst vor der ungewissen Zukunft, nachdem Jesus nicht mehr bei ihnen war. Durch den Heiligen Geist zum Pfingstfest waren sie völlig sicher, dass Jesus mit ihnen war und sie führen würde. Vor Pfingsten waren die Jünger stumm. Sie berichteten niemand von ihren Erlebnissen mit Jesus. Pfingsten öffnete ihnen den Mund. Sie erzählten von Jesus, sie predigten, sie riefen Menschen zusammen und feierten mit ihnen Jesu Gegenwart. Vor Pfingsten versteckten sich die Jünger in einer Dachgeschosswohnung. Pfingsten ließ sie aus ihrem Versteck kommen und unter die Leute gehen. Sie hatten keine Angst mehr entdeckt zu werden. Sie predigten frei, öffentlich und riskierten auch Unverständnis, Ablehnung und Verhaftung.

Auch heute wirkt dieser Heilige Geist Pfingstwunder. Da sitzt jemand im Gottesdienst, die Angst vor der Zukunft schnürt ihm die Kehle zu. Er fühlt sich trotz der vielen Leute um ihn herum allein gelassen. Doch da spürt er, dass Jesus ihn meint und ihm seinen Heiligen Geist anbietet. Die Angst ist nicht von jetzt auf nachher verschwunden, aber etwas Stärkeres wirkt in ihm. Er kann Jesus vertrauen und sieht ihn voran gehen auf dem Weg in die unbekannte Zukunft. Eine Jugendliche ist stumm und eingeschüchtert. Sie sieht nur Verbote und Leistungsanforderungen. Sie hört schon lange nicht mehr ein Wort der Ermutigung und Bestätigung. Da wird sie aufmerksam, dass Jesus sie zum Bleiben auffordert. Sie nimmt wahr, dass Jesus sie lieb hat und ihr keinen Stress macht. Sie darf sich bei ihm fallen lassen und bekommt Mut, ihren Kopf wieder zu heben. Der Manager kommt völlig abgehetzt in die Kirche. Er hatte morgens noch zig Mails zu bearbeiten und das Handy klingelte auch auf dem Weg noch. Er fühlt sich getrieben und gehetzt von den Pflichten seiner Arbeit. Hier hört er von der Kraftquelle des Geistes, der in ihm lebendig werden will. Die Pflichten fallen von ihm ab. Er sieht auf einmal wieder die Prioritäten richtig verteilt. Der Weingärtner ist Gott, der Weinstock Jesus, nicht die Firma ist sein Weinstock. Wie gut, dass es den freien Pfingstmontag gibt, da wird er dem Weinstock Jesus Platz einräumen und auf ihn hören, wie es weiter gehen soll.

Früchte am Weinstock

Jesus nennt die Liebe als die grundlegende Frucht am Weinstock. Sie wächst aus der Beziehung zum Weinstock. Wir leben von der Liebe Jesu, die wir als seine Annahme erfahren. Sie haben wahrscheinlich auch eine Lieblingsgeschichte in der Bibel. Kommt in dieser Geschichte zum Ausdruck, dass Gott, Jesus Sie liebt? Und kann es sein, dass Sie deshalb diese Geschichte so wichtig finden?

Am vergangenen Montag spielte ich mit Kindern biblische Geschichten nach. Sie durften ihre Lieblingsgeschichten spielen. Den "barmherzigen Samariter" spielten wir dreimal. Ein Kind äußerte sich danach: "Ist das eine coole Geschichte!". Die Kinder haben in dieser Geschichte entdeckt, dass da ein Samariter ist, der sich um sie kümmert, wenn es ihnen schlecht geht. Sie haben etwas von Jesus entdeckt, denn der ist der erste barmherzige Samariter, der sich zu uns herab beugt und uns aufhilft. Wem so geholfen wurde, der wird selbst gerne zum Samariter und wird durch Gottes Geist getrieben, anderen weiter zu helfen.

Doch auch bei Christen sind die Gefäße für den Liebesfluss oft verstopft. Da kommt zwar Liebe in die Weinrebe, aber es entwickelt sich keine Frucht zum Weitergeben. Was können die Ursachen sein? Vielleicht ist jemand in seiner frühsten Kindheit so tief verletzt worden, dass er Jesu Liebe nicht annehmen kann. Wenn er hört, dass Gott sein Leben will, muss er gleich dagegen halten, dass Gott ihn so, wie er ist, gar nicht wollen kann. Jesus lädt ein zum Bleiben, er will die verletzten Gefäße heilen, dass seine Liebe fließen kann. Eine andere Frau ist so mit Pflichten erfüllt, dass sie ihren Programmpunkten immer hinterher läuft. Sie findet keine Ruhe, wird immer gereizter und unglücklicher. Natürlich weiß sie, dass Jesus sie liebt, aber das gewinnt keine Gestalt in ihrem Alltag. Er hat ja keine Chance, ihr das in einer stillen Minute zuzusprechen. Sie läuft ihm immer davon. Kein Wunder, dass ihre Familienangehörigen nichts von dieser Liebe abbekommen. 
Verstopfungen dieser Art will der Heilige Geist durchlässig machen. Er kann die Gefäße öffnen und Frucht kann wachsen. 

Die Frucht der Liebe

Was ist leichter, die Armen im Sudan zu lieben oder den Bettler vor der eigenen Tür? Es ist schon allein deshalb leichter, Arme im Sudan zu lieben, weil das selten Konsequenzen - höchstens eine Geldspende - für uns nach sich zieht. Wir können sie lieben, ohne etwas investieren zu müssen. Ganz anders bei Menschen in unserem direkten Umfeld.

Die Bewährungsprobe für die Frucht der Liebe ist deshalb zuerst unsere Familie. Merkt meine Familie, dass ich sie liebe? Vielleicht merkt sie es daran, dass ich für sie sorge, den Haushalt führe, das Geld verdiene, viel Zeit mit ihr verbringe. Aber wie oft stöhne ich auch über meinen Familienaufgaben. Als ich mich auf diesen Abschnitt der Predigt vorbereitete, stand bei uns nachmittags ein Kindergeburtstag ins Haus. Ich stellte mir sehr ernsthaft die Frage: Merkt meine Tochter bei diesem Fest, dass ich sie liebe? Merken ihre Freunde, dass ich sie mag und mich auf sie freue? Ich bin in mich gegangen und habe Jesus sehr ernsthaft darum gebeten, mir mehr Liebe für diesen Tag zu schenken, diese Frucht zum Wachsen zu bringen. Es wurde ein ungewöhnliches Fest. Ich konnte mich das erste Mal auf einen Kindergeburtstag von Herzen freuen. Die Kinder waren ausgeglichen, fröhlich, kooperativ, meine Tochter glücklich. Und ich habe mich am Abend gefragt, warum ich nicht schon viel früher ganz konkret um mehr Liebe für besonders herausfordernde Tage gebetet habe. Ich sollte mir einen roten Zettel an den Kühlschrank hängen: Bete um mehr Liebe!, manches wäre sicher einfacher im Alltag zu bewältigen.

Die Familie in all ihren Formen, ob Kernfamilie, Patchworkfamilie oder Herkunftsfamilie ist die eine, die Familie der Geschwister im Glauben ist die andere Bewährungsprobe für die Frucht der Liebe. Merkt meine Schwester, mein Bruder in der Gemeinde, dass ich sie liebe? Dass sie oder er mir wichtig ist, dass ich sie so annehme, wie sie sind? In einer Studie wurden 300.000 evangelische Gemeinden der USA daraufhin befragt, was die wichtigsten Faktoren seien, die ihre Gemeinde wachsen lassen. Als erstes wurde genannt, dass die Leitenden die Gemeinde lieben. Das macht ja auch Sinn. Wer in der Gemeinde Verantwortung trägt, ist dazu bevollmächtigt durch Gottes Geist und der schenkt ihm die Liebe zu seiner Aufgabe und seiner Gemeinde. Im Gemeindevorstand haben wir gerade darum gebetet, dass unsere Liebe zur Gemeinde wächst, dass der Kreislauf der Liebe Gottes hier pulsieren kann. Auch an allen anderen Stellen des Gemeindelebens brauchen wir diese Liebe. Kindermitarbeitende brauchen vor allem Liebe, um den Kindern etwas vom Evangelium erzählen zu können. Kollektenverwalter brauchen Liebe, um nicht kleinlich hochzurechnen, wer viel und wer wenig gibt. Unsere Küster brauchen Liebe zur Gemeinde, wenn sie zum x-ten Mal das stehen gelassene dreckige Geschirr in ihrer eigenen Küche spülen und hinter den Gruppen herräumen. 

Die wenigen Beispiele zeigen, dass an der Liebe alles hängt. Wo wir uns mit Gottes Geist füllen lassen, werden die Verhältnisse sich ändern. Die Früchte, die dieser Geist wirkt, haben die Kraft, Menschen in diese Liebe hineinzunehmen und sie anzustecken. Das gilt auch für das Umfeld, in dem wir leben, unsere Freunde, Arbeitskollegen, Menschen auf unserem Weg.

Gott ist der Winzer. Er möchte uns schützen vor allem, was unser Wachstum behindert. Nichts kann uns von Jesus trennen, wenn wir bei ihm bleiben wollen. Im Gebet erfahren wir diese innigste Gemeinschaft und machen die Erfahrungen, aus denen Früchte wachsen. 

Jesus sagt uns an diesem Pfingstfest 2003:

  • Wir haben ihn nötig.
  • Ohne ihn können wir nichts tun, keine Früchte werden reifen.
  • Liebe als die grundlegende Frucht kann in uns noch viel mehr wachsen.
Beten wir darum, dass wir diese Liebe empfangen und genau da weitergeben, wo es dran ist.

Vielleicht können wir so auch abgetrennte Reben erreichen und sie wieder gewinnen für die Liebesbeziehung zu Jesus Christus. Auch wenn das Bild der abgetrennten Reben endgültig erscheint, Gottes Geist kann schöpferisch neues Leben erwecken.

Cornelia Trick


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