Gottesdienst am 19.09.2004
Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
"... und führe uns nicht in Versuchung, sondern
erlöse uns von dem Bösen." Diese 6. und 7. Bitte des Vaterunsers
sind mit ihrem "und" an den Lastwagen des Vaterunsers angehängt. Eigentlich
könnte das Vaterunser nach der Bitte um Vergebung abschließen.
Das Wesentliche ist gesagt: Wir haben gebeten um tägliches Brot und
Vergebung und Gott wird unsere Bitten hören und erhören. Aber
nun beginnt eine Reise mit Gott, auf der sich unser Gottesverhältnis
bewähren muss und auf dem viel passieren kann. Für diese Zeit
ist es gut, den Anhänger dabei zu haben. Er enthält die Bitte
um Bewahrung vor den Gefahren, die unterwegs lauern können und hilft,
die Reise mit Gott unbeschadet bis zum Ziel durchzustehen.
Auch die ersten Christen in Jerusalem hatten
erfahren, wie Gott für ihr tägliches Brot sorgte und ihnen die
Schuld vergab. Sie erfuhren Befreiung und neue Gemeinschaft als Gemeinde
Jesu. Mit ungeteiltem Herzen glaubten sie Jesus Christus. Ihren weltlichen
Besitz teilten sie gerne, denn sie wussten, dass er keine herausragende
Bedeutung mehr für ihre Reise hatte. Sie waren einmütig beieinander
und erlebten Zeichen und Wunder zur Stärkung ihres Glaubens. Auch
das Ehepaar Hananias und Saphira war dabei. Aber sie hatten offensichtlich
den Anhänger für ihren Lastwagen übersehen und kamen prompt
in Schwierigkeiten:
Apostelgeschichte 5,1-11
Auch ein Mann namens Hananias und seine Frau Saphira
verkauften ein Stück Land. Hananias behielt mit Wissen seiner Frau
einen Teil des Geldes zurück; das übrige brachte er und legte
es den Aposteln zu Füßen. Doch Petrus sagte zu ihm: "Hananias,
warum hast du dein Herz dem Satan geöffnet? Warum belügst du
den Heiligen Geist und behältst einen Teil vom Erlös deines Feldes
für dich? Du hättest ja das Land behalten können, und nachdem
du es verkauft hattest, auch das Geld. Warum hast du dich auf dieses falsche
Spiel eingelassen? Du hast nicht Menschen, sondern Gott belogen!" Als Hananias
diese Worte hörte, brach er zusammen und starb. Ein gewaltiger Schrecken
packte alle, die davon erfuhren. Ein paar junge Leute standen auf, wickelten
den Toten in ein Tuch, trugen ihn hinaus und begruben ihn. Etwa drei Stunden
später kam seine Frau. Sie wusste noch nicht, was geschehen war. Petrus
fragte sie: "Sag mir, habt ihr das Feld zu diesem Preis verkauft?"
"Ja", antwortete sie, "zu diesem Preis." Da sagte
Petrus: "Warum habt ihr euch verabredet, den Geist des Herrn herauszufordern?
Ich sage dir: Vor der Tür stehen schon die Leute, die deinen Mann
begraben haben. Sie werden auch dich hinaustragen!" Im selben Augenblick
fiel sie vor seinen Füßen zu Boden und starb. Die jungen Leute
kamen herein, sahen sie tot daliegen, trugen sie hinaus und begruben sie
neben ihrem Mann. Ein gewaltiger Schrecken packte die ganze Gemeinde und
alle, die davon hörten.
Hananias und Saphira konnten der Kraft nicht
widerstehen, die sie von Gott und ihrem Herrn Jesus Christus wegzog. Statt
einmütig mit der Gemeinde zu leben, war ihr Herz geteilt, sie wollten
den frommen Schein wahren, aber doch Geld für sich persönlich
abzweigen. Sie wollten mit Gott reisen, aber buchten parallel noch bei
einem anderen Veranstalter, um ja nichts zu verpassen. Die Konsequenz ihres
Verhaltens war drastisch und für die Gemeinde schockierend. Statt
sich das Leben zu sichern, starben sie, getrennt von Gott und an ihrer
eigenen Schuld zu Grunde gegangen. Dass sie mit Jesus Christus ihren Weg
begonnen hatten, war keine Garantie dafür, dass sie auch mit ihm das
Ziel erreichten.
Dass Lukas in seiner Geschichtsschreibung diese
Episode der frühen Kirche berichtete, zeigt, wie wichtig sie bis heute
ist. Wir werden gewarnt, dass die ernstere Bedrohung unseres Glaubens nicht
durch Feinde von außen kommt, die gegen unser Christsein sind, sondern
von innen, aus den eigenen Reihen, aus unserem eigenen Herzen. Die letzten
Bitten des Vaterunsers setzen hier an. Sie sind Ausdruck unseres Unvermögens,
ohne göttliche Hilfe unseren Weg als Christen zu meistern.
"Führe uns nicht"
Sofort regt sich unser Widerstand. Ist es Gott,
der uns in Versuchung führt? Will Gott, dass wir wie Hananias und
Saphira zu Grunde gehen? Mutet uns Gott diese Herausforderung wirklich
zu? Ich versuche, mir die Führung Gottes in einem Bild vorzustellen.
Ich bin eine Seglerin in einem Segelclub. Gott
ist der Trainer, der mit uns die Tour des Jahres macht. Ziel ist eine ferne
Küste, auf die wir sehr gespannt sind. Keiner von uns war je dort.
Die Tour, so schärft es uns der Trainer ein, kann nur gelingen, wenn
wir ihm voll vertrauen und seinen Anweisungen auch in Ausnahmesituationen
folgen. Kleinstes Misstrauen kann für uns den Tod zur Folge haben,
denn die See ist rau und unberechenbar und wir sind längst nicht so
fit, um sie zu beherrschen. Die Route, die der Trainer nimmt, ist nicht
von vornherein festgelegt. Es gibt einen direkten Weg an steilen Klippen
vorbei, die für uns gefährlich werden könnten, einen Weg
mit herrlichen Aussichten, aber wilden Strömungen, eine Strecke an
weißen Stränden vorbei, an denen Pausen möglich sind. Es
ist seine Entscheidung, wie er uns führt, doch wir haben die Möglichkeit,
unsere Vorstellungen einzubringen.
Gott führt, doch auf unserer Reise der Ewigkeit
entgegen treten Kräfte auf, die uns bedrohen. Wir können ihn
bitten, uns zu führen ohne Versuchungen, das bedeutet, die Route für
uns auszusuchen, die nicht gerade vor Gefahren strotzt.
"in Versuchung"
Mit Versuchung ist hier nicht gemeint, dass Gott
uns auf die Probe stellt, eine Prüfung durchführt, uns die Gelegenheit
zur Bewährung gibt, um mit umso stärkerem Glauben aus dieser
Prüfungssituation hervorzugehen. Als Versuchung, die hier gemeint
ist, wird die Gegenmacht Gottes genannt, die von Gott wegzieht. Schon in
den ersten Jahrhunderten der Christenheit machte man sich viele Gedanken
über den Ursprung der Versuchung. Man nannte drei Quellen, aus denen
Versuchung entspringen kann: das Herz, die Umwelt und der Teufel selbst.
Zwar ist uns mit der Bitte um Vergebung unsere Schuld
erlassen, doch sie wächst nach wie ein gut gedüngter Rasen. Wenn
wir sie nicht ständig ausräumen lassen, führt sie ein Eigenleben.
Wir wiegen uns dann in der falschen Sicherheit, dass uns ja vergeben ist
und wir nun munter weiter leben können. Bald unternehmen wir unsere
Segeltörns ganz unabhängig von unserem Trainer. Statt ihm hinterher
zu segeln, wählen wir unseren eigenen Kurs zu den noch besseren Stränden.
Wir erwarten, dass uns der Trainer folgt und nachträglich seinen Segen
zu unserer Route gibt. Wir erwarten, dass Gott unseren eigen gewählten
Handlungen seinen Segen gibt und sie nachträglich abnickt. Empört
sind wir, wenn er uns allein ins Unglück rennen lässt und die
Konsequenzen unserer Eigenmächtigkeit mit voller Wucht auf uns zurück
schlagen. So ist es auch Hananias und Saphira ergangen. Sie wollten sich
nicht ganz von Gott und seinem Anspruch lossagen, aber unter der Hand verfolgten
sie ihr eigenes Ziel, Geld auf die Seite zu bringen. Sie erwarteten, dass
Gott das gut finden würde. Doch er gab ihnen nicht die nachträgliche
Einverständniserklärung, sondern ließ sie mit ihrer Tat
allein.
Die Sünde ist uns vergeben, aber sie ist
nicht ein für allemal aus unserem Herzen ausgerissen. Wir bleiben
Sünder und brauchen die Vergebung jeden Tag. So bitten wir um Bewahrung
vor dem eigenen Wunsch, unabhängig von Gott unseren Weg zu gehen,
und um Erkenntnis, wo wir Umkehr und Vergebung brauchen.
Auch von außen können uns Geschehnisse
zustoßen, die uns in Versuchung führen. Da sind Schicksalsschläge
aller Art. Sie treffen unsere Gesundheit, unsere Familie, die Arbeit, das
Geld. Sie lassen Beziehungen sterben. Sie machen unsere Lebensplanungen
zunichte und lassen uns vor einem Trümmerhaufen stehen. Die Zweifel
kriechen in uns hoch. Sollte Gott sich wirklich bis hin zum täglichen
Brot um uns kümmern, ist uns wirklich vergeben? Warum greift er nicht
längst ein? Diese Zweifel versuchen uns zum Abwenden von Gott. Sie
führen zu Vertrauensverlust. Wenn ich daran zweifele, ob mein Tourenführer
den Kurs noch im Auge hat, fange ich selbst an, den Kurs zu suchen und
meine eigene Tour zu segeln. Für diesen Moment gibt Jesus uns die
Vaterunser-Bitte ins Herz. Sie bietet uns Widerstand gegen die Zweifel,
sie ist Erinnerung daran, dass Gott es gut mit uns meint, weil er unser
Vater und unsere Mutter ist. Sie gibt uns die Begründung, dass das
Ziel nicht Untergang ist, sondern Rettung aus dem Bösen.
Doch auch die Auswirkungen eines Lebens auf der
Sonnenseite können zur Versuchung werden. Wenn mir einfach alles glückt
und ich rundherum zufrieden bin, keine Leiche im Keller versteckt ist und
meine Lieben in Harmonie mit mir verbunden sind, kann der Eindruck entstehen,
dass das Meer so still und zahm ist, dass ich keinen Tourenführer
brauche. Ich werde das verheißene Ufer aus eigener Kraft erreichen.
Für Menschen auf der Sonnenseite - und Bad Soden als Wohnort steht
ja schon rein finanziell für die Sonnenseite - ist es schwer, die
eigene Kraft nicht zu überschätzen und Gott die Führung
zu überlassen. Wenn sie darum bitten, nicht versucht zu werden, dann
ist auch diese Bitte Widerstand gegen die Undankbarkeit, den Übermut
und Hochmut, das Leben aus eigener Kraft bewältigen zu können.
Mit dieser Bitte wird festgemacht, dass es Gott ist, an dem wir bleiben
müssen, um das verheißene Ufer zu erreichen.
Auf der Segeltour kommen wir auch in gefährliche
Gewässer mit Strudeln, Untiefen und Strömungen, die uns mitzureißen
drohen. Diese Untiefen sind Machenschaften des Teufels, der uns nicht nur
subtil durch unser Herz und die Umwelt von Gott wegreißt, sondern
auch ganz direkt angreift und untergehen lässt. Der Teufel ist da
einem Laubfrosch sehr ähnlich. Der Laubfrosch jagt nur lebendige Insekten,
eine tote Fliege interessiert ihn nicht. Der Teufel jagt nur lebendige
Christen, tote lässt er liegen, die haben ja ihr Leben schon verwirkt.
So ist es nicht verwunderlich, dass er besonders aktiv wird, wo die Bitte
um Vergebung erhört wurde und auch die Vergebung untereinander geschehen
ist. So war es bei Hananias und Saphira. Das Ehepaar hatte zum lebendigen
Glauben gefunden, war in die Gemeinschaft der Gemeinde aufgenommen und
lebendig dabei. Doch genau da, wo eigentlich ein neuer Anfang stand, kam
es zum Untergang. Der Teufel flüsterte ihnen ein: Sollte Gott gesagt
haben, dass ihr euren ganzen Besitz teilen sollt? Die Frage spaltete die
Gemeinschaft mit Gott. Sie waren nicht mehr ganz bei der Sache, hatten
ein neues Konto eröffnet und darauf einen Teil ihrer Loyalität
eingezahlt. Die Auswirkungen waren verheerend. Sie starben, die Gemeinde
wurde zutiefst erschreckt und verwirrt. Doch greift hier die Zusage Gottes,
dass er mit Jesus Christus den Teufel nicht nur in Schach hält, sondern
besiegt hat. Wir dürfen bitten, dass Gott die Stromschnellen und Abgründe
in unserem Leben besiegt. Helfen wird uns das Gebet, das Vertrauen auf
Gott und ein Lebenswandel, der dem Teufel wenig Ansatzpunkte gibt.
"sondern erlöse uns
von dem Bösen"
Mit der Fortsetzung der Bitte wird uns das Ziel
vor Augen geführt. Wenn Gott uns vor der Versuchung bewahrt, rettet
er uns aus der Hand des Teufels, der für das Böse in unserem
Leben verantwortlich ist. Wer um Rettung betet, weiß um die Bedrohung
und pfeift buchstäblich aus dem letzten Loch. So werden 100.000 Bittgesuche
an Gott geschickt. Bei allen Bitten um dies und das mag eine sein, die
wirklich um Rettung bittet. Dann wird Gott wie der Hirte im Gleichnis vom
verlorenen Schaf erst die 99.999 Bittgesuche beiseite legen und sich des
einen annehmen, der wirklich gerettet werden muss. Und wer aus einem tosenden
Meer gerettet wurde, der weiß um die Not anderer Schiffbrüchiger,
die wie er um Hilfe schreien. Er wird sich der Lebensrettungsgesellschaft
anschließen, um selbst im Auftrag des Herrn zu retten, was verloren
ist. Sicher ist diese Rettung immer eine Rettung im Vorfeld. Denn erst,
wenn das Ufer erreicht ist, sind wir in Sicherheit. Erst in Ewigkeit sind
wir endgültig erlöst vom Bösen. Doch in der Zwischenzeit
gilt es, die Ertrinkenden auf die Segelboote zu holen und mit ihnen Kurs
auf das Ufer zu nehmen.
So wollen wir heute darum beten, dass
-
wir in den Versuchungen unseres Herzens bewahrt
werden, den Versuchungen unserer Umwelt widerstehen können, die Versuchungen
des Teufels mit Jesu Hilfe besiegen können;
-
die, die schon gekentert sind, Rettung von Gott
erfahren;
-
wir Rettersinn bekommen, um uns der Verlorenen anzunehmen
und ihnen helfen, Jesus zu folgen bis zum rettenden Ufer.
Und noch eine anschauliche
Geschichte zum Thema "Versuchung"
Es war einmal ein Mann, der ein gutes Leben führte
und erfolgreich war. Ganz plötzlich starb er und fand sich wieder
vor der Himmelstür. Petrus erwartete ihn dort und fragte ihn: Willst
du in den Himmel oder in die Hölle? Der Mann war erstaunt, denn er
war immer davon ausgegangen, dass man sich das nicht selbst aussuchen könne.
Aber da er auch in seinem früheren Leben sich auf nichts einließ,
was er nicht geprüft hatte, bat er Petrus, ihm doch beide Orte erst
mal zu zeigen. Petrus war einverstanden. So führte er den Mann erst
zu einer großen sonnigen Himmelswiese. Überall saßen kleine
Gruppen beieinander, hatten ein Picknick vor sich ausgebreitet, sangen
Lieder mit Gitarre, die Kinder spielten miteinander. Es sah sehr harmonisch
und nett aus. Der Mann fand es allerdings ein bisschen langweilig und fragte
Petrus, ob er die Hölle noch sehen könnte. Petrus führte
ihn zu einem großen Pool voller klarem Wasser. Drumherum standen
weiße Liegestühle und hübsche Kellnerinnen verteilten Drinks
an die Sonnenanbeter. Der Mann war begeistert. Er bat Petrus, an diesem
herrlichen Ort bleiben zu dürfen. Kaum hatte er ausgesprochen, kamen
ein paar Uniformierte und führten den Mann zu einem Kerker, legten
ihn in Fesseln und stellten einen Napf mit trockenem Brot vor ihn. Der
Mann wehrte sich entrüstet und rief nach Petrus: Was ist mit dem Swimmingpool?
Petrus drehte sich zu ihm um und antwortete: Das war nur die Werbeseite
der Hölle.
Cornelia
Trick
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