Gemeinsam gegen einsam (4.Mose 11,10-17+24-29)
Gottesdienst am 3.3.2019 in Brombach

Liebe Gemeinde,
vor zwei Wochen bin ich morgens um 5 aufgewacht, und sofort liefen die Themen der Woche wie ein Programm in meinem Kopf ab. Da stand am Sonntag das Gemeindemittagessen in neuer Form an. Alle waren aufgerufen, ihr Essen und ihr Geschirr selbst mitzubringen, wir wollten mit möglichst geringem Küchen-Aufwand eine fröhliche Zeit miteinander verbringen. Doch die Tische mussten ja eigentlich vorher schon gestellt werden. Die im Raum vorhandenen Tische würden nicht ausreichen, aus dem Stuhllager wären noch zusätzliche Tische zu holen und aufzubauen. Morgens um 5 schien mir das eine unlösbare Aufgabe, denn das konnte ich unmöglich allein ohne Hilfe erledigen.

Natürlich hatte sich bei Tageslicht alles in Wohlgefallen aufgelöst, es war überhaupt kein Problem, starke Arme zu finden, die gerne die Tische aufbauten und sie sogar noch liebevoll dekorierten. 

Doch mir wurde klar, dass das eine durchaus typische Situation war. Nicht nur beim Tische-Aufstellen ertappe ich mich dabei, alles allein bewältigen zu wollen, auch bei anderen Themen will ich die Rucksäcke des Lebens am liebsten selbst schultern. Gott hat sich mein Leben anders vorgestellt, eingebunden in eine Gemeinschaft, in der einer für die andere da ist und Lasten gemeinsam getragen werden. Die Gemeinde Jesu ist das Lebensfeld, wo das Miteinander von Gottes Geist durchdrungen wird und gelingen kann.

Das Volk Israel in seinen Anfängen ist wie ein Archetypus für die Gemeinde Jesu. Der Durchzug durch das Rote Meer aus der Sklaverei in die Freiheit steht für Jesu Ruf aus einem Leben ohne ihn in eine Gemeinschaft, die Jesus in der Mitte hat.

Doch der Weg mit Jesus ist nicht ohne Herausforderungen. Wie die Israeliten in der Wüste Durst, Hunger, Kämpfe und interne Streitigkeiten erlebten und fragten „Wo ist Gott? Wird er helfen? Können wir ihm trauen?“ , so ist die Gemeinde auf schwierigen Wegstrecken unterwegs. Wie die Israeliten im Nachhinein die Sklaverei gar nicht mehr so schlimm fanden, in der Erinnerung ägyptische Gemüsesuppe zu überfließenden Fleischtöpfen wurde, so kennen wir ja auch in der Gemeinde das Sehnen nach den „guten alten Zeiten“, wo manches Schwierige verklärt erscheint. 

Auch das Thema „gemeinsam gegen einsam“ wird dort in der Wüste schon anschaulich. Anlass war mal wieder das Essen. Man hatte genug vom ewigen Manna, wollte endlich mal wieder was Ordentliches essen. Daran entzündete sich eine kleine Revolte, ein kleiner Gelbwesten-Aufstand. Doch was sollte Mose tun? Er war es einfach leid, diese ewige Unzufriedenheit im Zaum halten zu müssen.

4.Mose 11,10-15
Mose sah die Leute von Israel, alle Sippen und Familien, vor ihren Zelten stehen und hörte sie klagen. Ein heftiger Zornausbruch des HERRN bahnte sich an. Mose war die ganze Sache leid und sagte zum HERRN: »Warum tust du mir, deinem Diener, dies alles an? Womit habe ich es verdient, dass du mir eine so undankbare Aufgabe übertragen hast? Dieses Volk liegt auf mir wie eine drückende Last. Schließlich bin ich doch nicht seine Mutter, die es geboren hat! Wie kannst du von mir verlangen, dass ich es auf den Schoß nehme wie die Amme den Säugling und es auf meinen Armen in das Land trage, das du ihren Vätern zugesagt hast? Fleisch wollen sie; sie liegen mir in den Ohren mit ihrem Geschrei. Woher soll ich Fleisch nehmen für ein so großes Volk? Ich allein kann dieses ganze Volk nicht tragen, die Last ist mir zu schwer. Wenn du sie mir nicht erleichtern willst, dann hab wenigstens Erbarmen mit mir und töte mich, damit ich nicht länger diese Qual ausstehen muss.«

Das Problem
Es ist nicht das erste Mal, dass Mose sich überfordert fühlt. Schon einmal gab es eine ähnliche Situation. Mose war damals wie ein Feuerwehrmann zwischen unterschiedlichsten Konfliktparteien hin und her gerannt. Es handelte sich um kleinere oder größere Familienangelegenheiten, Eigentumsdelikte, Grenzüberschreitungen, wo man einen Schiedsspruch einer unabhängigen Autorität brauchte. Mose war der Mann dafür, aber auch der einzige. Als sein Schwiegervater zu Besuch kam, fiel ihm Moses Überforderung auf, und er sah als Außenstehender, dass das System nicht stimmte. Einer allein konnte nicht die einzige Rechtsperson in einer ganze Wandergesellschaft sein. So empfahl er Mose, vertrauenswürdige Leute zu wählen, die ihn entlasteten. Das funktionierte damals.

Doch Mose ist offenbar immer noch der Auffassung, dass er allein die Verantwortung für Israel trägt. Jetzt wird ihm wieder alles zu viel. Er fühlt sich wie eine Mutter mit Säugling in ständiger Alarmbereitschaft. In seiner Not flieht er zu Gott. Er erinnert Gott, dass der doch eigentlich die Mutter seines Volkes ist, dass er sich verantwortlich fühlen muss. Für sich selbst wünscht Mose den Tod, ein Ende mit der Last auf seinen Schultern.

Betrachten wir die Szene von außen, wird sofort klar, dass Moses Blick verengt ist. Er sieht nur sich. Er ist einsam, fühlt sich von Gott und Menschen verlassen.

An jenem Morgen um 5 hatte ich auch dieses Gefühl. Ich dachte, dass nur ich Tische in der Kirche stellen könnte. Das ist ja übertragbar auf andere Felder, den Arbeitsplatz, die Familie, das Ehrenamt und die Gemeindearbeit in ihrer ganzen Vielfalt. Der Angestellte in der Firma hat den Eindruck, dass er für das ganze Fortkommen seiner Abteilung sorgen muss. Die Familienfrau fühlt sich mit der Hausarbeit neben ihrem Beruf allein gelassen. Die Kindergruppen-Mitarbeiterin fühlt sich als Einzelkämpferin, ständig muss sie andere vertreten.  Die Konsequenz ist Burnout oder zumindest frustrierter Rückzug. 

Moses Zusammenbruch führt ihn zu Gott, er leistet einen Offenbarungseid: „Ich kann nicht mehr!“ Dieser Aufschrei der Ohnmacht ist Schaltstelle für Veränderung.

4.Mose 11, 16-17+24-25
Der Herr antwortete Mose: »Versammle 70 angesehene Männer aus dem Kreis der Ältesten Israels, 
die sich als Aufseher bewährt haben, und hole sie zum Heiligen Zelt. Dort sollen sie sich neben dir aufstellen. Ich werde herabkommen und mit dir sprechen, und dann werde ich von dem Geist, den ich dir gegeben habe, einen Teil nehmen und ihnen geben. Dann können sie die Verantwortung für das Volk mit mir teilen, und du brauchst die Last nicht allein zu tragen.«
Mose ging hinaus und teilte dem Volk mit, was der Herr gesagt hatte. Er versammelte 70 Männer aus dem Kreis der Ältesten Israels und stellte sie rings um das Heilige Zelt auf. Da kam der Herr in der Wolke herab und redete mit Mose. Er nahm einen Teil des Geistes, den er Mose gegeben hatte, und gab ihn den 70 Ältesten. Als der Geist Gottes über sie kam, gerieten sie vorübergehend in ekstatische Begeisterung wie Propheten.

Die Lösung
Gott lässt Mose nicht sterben, sondern lässt ihn 70 Verantwortungsträger auswählen. Die Zahl 70 hat dabei symbolische Bedeutung. 7 ist eine heilige Zahl, die direkt mit Gott in Verbindung gebracht wird, 10 drückt Fülle aus, Gott geizt nicht mit Unterstützung. Diese Leute werden die Last der Verantwortung mittragen und dazu Gottes Geist bekommen.

Merkwürdig mag uns vorkommen, dass Gott von Mose Geist abzweigt. Hat Mose nun weniger? Muss er seinen Geist-Vorrat mit 70 Menschen teilen? Bleibt dann noch was für Mose übrig? Büßt er an Kraft ein? 

Diese Gedanken sind ja auch übertragbar. Eine Mitarbeiterin stöhnte einmal heftig unter ihrer Aufgabe, jeden Sonntag einen Blumenstrauß auf den Abendmahlstisch zu stellen. Wir sahen ein, dass das eigentlich eine Überforderung ist, und sprachen andere an, die beim Blumenschmuck mithelfen wollten. Die Aufgabe sollte nicht mehr 100% bei ihr liegen, sondern verteilt werden. Doch siehe da, in dem Moment wusste die Mitarbeiterin nichts mehr von ihrer Überlastung. Sie meinte, dass sie das doch lieber in der Hand behalten würde. Vielleicht fürchtete sie, Einfluss und Anerkennung mit den anderen teilen zu müssen und selbst im Ansehen zu sinken. Dabei hätte ihr das Aufteilen der Aufgabe wieder die Freude daran zurückgebracht. 

Gott wollte Mose nichts wegnehmen. Wir können uns das eher so vorstellen, dass er noch eine Strom-Verteilerdose dazwischenschaltete. Mose würde seine Autorität behalten, aber auch andere würden an den Geist Gottes angeschlossen werden und mit seiner Kraft die Leute anleiten können.

Die Lösung wirkt so einfach: Schau dich um, da sind doch längst „Älteste“, die dir Gott zur Seite stellen will. Dein Problem ist nicht die viele Arbeit, sondern dass du diese Menschen nicht wahrnimmst.

Die Ältesten bekommen den Geist Gottes und geraten in Ekstase. Wohl für sie selbst, aber auch für Mose ein Zeichen, dass sie nun auch von Gott beauftragt sind. Sie werden die Aufgaben packen – mit Gottes Hilfe.

Wir sollten gar nicht erst wie Mose in eine Erschöpfungsdepression abgleiten und betrachten deshalb diese Geschichte. Wir können vorbeugen und rechtzeitig Lasten verteilen, wie wir es heute mit der Wahl von neuen Mitgliedern unseres Gemeindeleitungsgremiums tun.

Gemeinde ist ein Mini-Volk-Israel, das unterwegs ist zum Gelobten Land. Sie braucht innere Gesundheit und äußere Funktionsfähigkeit wie ein Restaurant, bei dem Küche, Service und Gastraum passen müssen. Dort bricht Unmut auf, wenn das Essen schlecht, der Raum lieblos, der Service schlecht ist. Keiner wird in solch ein Restaurant gehen, es hat seinen Sinn verfehlt.

Innere Gesundheit bekommen wir durch unsere direkte Beziehung zu Gott. Mose wandte sich an ihn, als er nicht mehr weiter wusste, wir können das jederzeit in Jesu Namen tun, nicht erst am Ende einer Sackgasse. Es ist wichtig, dass wir uns nicht als Zuschauer auf der Tribüne fühlen, die von oben das Geschehen der Gemeinde beurteilen, sondern uns auf dem Spielfeld dazu stellen, mitspielen und merken, wo wir unterstützen können, statt zu jammern und andere noch damit anzustecken. 

Unsere äußere Funktionsfähigkeit ist genauso wichtig. Mose hätte längst die Leute aufrufen können, Gebetsgruppen zu bilden, gemeinsame Mahlzeiten zu veranstalten, und er hätte sie in seine Leitungssorgen einbeziehen können, ihnen das Gefühl vermitteln sollen, dass sie genauso gebraucht werden. In unserer Gemeindearbeit bedeutet äußere Funktionsfähigkeit, dass wir den Raum zur Verfügung stellen, in dem Gottesbegegnung erleichtert wird. Das geschieht durch unser Gebäude, durch eine funktionierende Heizung, durch Musik, Gruppen, Finanzen und Feiern.

Dazu braucht es mehr als eine Handvoll Mitarbeitende und auch mehr Menschen als das Gemeindeleitungsgremium. So sind wir alle heute gefragt, ob wir bereit sind, die Gemeindearbeit aktiv zu unterstützen und den Geist Gottes, den er uns bereithält, dafür abzurufen.

4.Mose 11,26-29
Zwei Männer, die ebenfalls auf der Liste standen, Eldad und Medad, waren nicht zum Heiligen Zelt gegangen, sondern im Lager geblieben. Aber auch über sie kam der Geist Gottes, und sie wurden von ekstatischer Begeisterung ergriffen. Ein junger Mann lief zu Mose und erzählte ihm, was mit Eldad und Medad geschehen war. Josua, der Sohn Nuns, der von Jugend an Moses Diener war, mischte sich ein und sagte zu Mose: »Lass das nicht zu! « Aber Mose erwiderte: »Hast du Angst um mein Ansehen? Ich wäre froh, wenn alle Israeliten Propheten wären. Wenn doch der Herr seinem ganzen Volk seinen Geist gegeben hätte!«

Wie ein kleines Anhängsel wirkt diese Schilderung. Vielleicht fanden die beiden sich ungeeignet für den Job. Vielleicht waren sie gerade zu beschäftigt mit ihren kleinen Kindern oder der Ausbesserung ihrer Zelte. Doch Gottes Geist erwischt sie auch da. Gott ruft seine Mitarbeitenden auch unabhängig von Wahllisten. Er nimmt nicht nur die, die heute gewählt wurden. Er will, seit Pfingsten wissen wir das, dass alle von seinem Geist leben und dazu beitragen, dass die Gemeinde ihren Weg ins Gelobte Land findet. 

Die Reise mit Mose und Israel ermutigt. Niemand wird von Gott allein gelassen. Er sieht, wo unsere Unterstützer sind und will uns auf sie aufmerksam machen. Mit Gottes Geist werden wir fähig, auch die Aufgaben in unserer Gemeinde und unserem persönlichen Leben anzugehen, ohne dass wir daran verzweifeln oder zerbrechen müssen.

Und mit den Tischen für das Gemeindemittagessen ging weiter wie bei Mose: Beim ersten Anruf des Tages kamen wir auf das Mittagessen zu sprechen und der Anrufer sagte, ohne dass ich dazu kam, ihn zu bitten, dass er das selbstverständlich erledigt. Hätte ich doch morgens um 5 mehr auf Gott vertraut!

Cornelia Trick


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