Gottesdienst am 31.1.2016
in Brombach
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern
und Brüder,
eine junge Frau in meiner
Bekanntschaft hat seit früher Jugend einen Traum, sie will Dirigentin
werden. Nach der Schule hieß das für sie, mit ganz viel Engagement
ein weiteres Instrument zu lernen, um die Aufnahmeprüfung zu schaffen.
Wochen- und monatelang übte sie, alles andere wurde zweitrangig. Für
ihre Umgebung war sie in dieser Zeit abgetaucht. Natürlich haben wir
sie immer wieder gefragt, ob sich dieser Einsatz denn lohne. Es gibt doch
noch so viele andere spannende Berufe. Aber für sie stand fest, das
und sonst nichts. Jede Minute, so sagte sie, war es ihr wert.
Menschen in der Gemeinde
in Korinth hatten Paulus längere Zeit beobachtet. Sie sahen, wie diszipliniert
er seinen Alltag gestaltete. Sein Geld verdiente er als Zeltmacher, und
seine Freizeit verbrachte er als reisender Missionar, Prediger und Gemeindeleiter.
„Work and travel“ würden wir das Modell heute wahrscheinlich nennen.
Er schlief in fremden Betten, wurde verhaftet und gefoltert, verfolgt und
in Gemeinden von manchen angefeindet. Lohnt sich das denn, so fragten sich
die Leute in Korinth. Kann man Glauben nicht auch weniger anstrengend leben?
Hätte Paulus nicht ganz normal von Montag bis Freitag in seiner eigenen
Zeltwerkstatt arbeiten können, mit dem Verdienten ein Haus bauen,
eine Familie ernähren und am Sonntag dann den Gottesdienst gestalten
können? Er hätte sich das Herumreisen und die Verfolgungen gespart,
und, so wussten es die Korinther doch von Paulus, Gott hätte ihn auch
so geliebt.
Paulus war in Rechtfertigungsnot.
Er musste ihnen begreiflich machen, warum er solche Strapazen auf sich
nahm. Gleichzeitig, so spüren wir es ihm ab, wollte er sie – und damit
auch uns heute – hinterfragen. Findet ihr es ok, wie ihr euren Glauben
lebt, oder ist da noch mehr Intensität, Freude, Begeisterung und Einsatz
drin?
Paulus vergleicht sein
Leben mit Sportlern, die bei den Isthmischen Spielen in Korinth mitmachten.
Seit 44 n.Chr. gab es diese Spiele in Korinth, Wettkämpfe in Leicht-
und Schwerathletik wurden durchgeführt, Laufen und Faustkampf gehörten
dazu.
1.Korinther 9,24-27
Ihr wisst doch, dass an einem
Wettlauf viele teilnehmen; aber nur einer bekommt den Preis, den Siegeskranz.
Darum lauft so, dass ihr den Kranz gewinnt! Alle, die an einem Wettkampf
teilnehmen wollen, nehmen harte Einschränkungen auf sich. Sie tun
es für einen Siegeskranz, der vergeht. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz,
der unvergänglich ist. Darum laufe ich wie einer, der das Ziel erreichen
will. Darum kämpfe ich wie ein Faustkämpfer, der nicht danebenschlägt.
Ich treffe mit meinen Schlägen den eigenen Körper, sodass ich
ihn ganz in die Gewalt bekomme. Ich will nicht anderen predigen und selbst
versagen.
Die Sportler hatten wie
die Musikerin aus meiner Bekanntschaft ein großes Ziel vor Augen,
den Lorbeerkranz, die Goldmedaille. Dieses Ziel motiviert und bestimmt
das ganze Leben. Wer ein solches Ziel vor Augen hat, verzichtet auf Freizeit,
Zerstreuung, Faulenzen, Pflege von Freundschaften, ungesundes Essen. Auch
in der Zeit zwischen den Trainingseinheiten kreisen die Gedanken um Übungen
und Trainingsinhalte. Wer sich auf einen solchen Weg begibt, wird darüber
nicht klagen, er weiß, er könnte auch anders, aber er will das
Ziel. Das gibt ihm Kraft, jeden Tag wieder in die Trainingsstunden zu gehen.
Die Theorie …
Paulus ermutigt mit diesem
Bild, das Leben auf ein Ziel, auf Gott hin auszurichten. Es geht bei Christen
nicht um gewinnen oder verlieren. Wer Jesus in sein Leben gelassen hat,
weiß sich gerettet ohne eigenes Dazutun. So als hätte Jesus
ihn mit dem Rettungsring aus dem aufgewühlten Meer gezogen. Seine
Laufleistung spielte da überhaupt keine Rolle.
Aber einmal gerettet heißt
ja nicht, dass wir es uns in Liegestühlen auf dem Deck des Rettungsbootes
Jesu bequem machen und warten, bis das Schiff irgendwann in der Ewigkeit
Gottes ankommt. Gerettete werden in ihren Alltag entlassen und können
dort mit ihrer Erfahrung und unterstützt vom Geist Gottes loslegen.
Sie haben nun ein Ziel vor Augen, so zu sein, wie Gott sie gemeint hat,
so zu handeln, wie es Gottes Willen entspricht, sich dafür einzusetzen,
wofür Jesus sich einsetzt. Dieses Ziel, in Gottes Bestimmung für
unser Leben hineinzuwachsen, motiviert.
Und wie es wirklich ist
…
Unsere Realität sieht
oft anders aus. Sie kennen wahrscheinlich auch Stützstrümpfe.
Sie helfen, das Blut aus den Beinen wieder in den Körper zurückfließen
zu lassen und unterstützen schwache Venen. So nützlich sind Stützstrümpfe,
dass sogar die Krankenkassen für das An- und Ausziehen bezahlen, denn
das ist richtig schwierig, sind die Strümpfe doch extrem eng. Eigentlich
wusste auch meine Mutter, dass die Strümpfe nur sinnvoll sind, wenn
sie eng sind und die Beine so in Form bringen, dass das Blut nicht in den
Füßen versackt. Aber sie liebte besonders die Strümpfe,
die schon alt und ausgeleiert waren. Die konnte sie selbst an- und ausziehen,
und sie fühlten sich so bequem an, dass sie sie gar nicht spürte.
Und ich fürchte, mir wird es auch mal so wie meiner Mutter gehen.
Ich werde auch die Stützstrümpfe lieben, denen ich mich nicht
anpassen muss, sondern die sich mir anpassen.
Vielleicht können
wir unseren Glauben mit diesem Phänomen vergleichen. Unser Glaube
an Gott sorgt dafür, dass wir unser Leben meistern können, Kraft
haben und nicht versacken in Traurigkeit, Mutlosigkeit, Selbstvorwürfen
und Schuld. Doch der Glaube braucht unterstützende Formen, um dem
Ziel unseres Lebens, wie Gott es gemeint hat, näher zu kommen. Sonst
passt er sich einfach unseren Gedanken und Vorstellungen an und hat keine
Kraft, uns zu verändern.
Ein paar formende Elemente
möchte ich nennen.
-
Das Gebet. Mit einem Ansprechen
und Reden beginnt jede Beziehung, auch die zu Gott und Gottes zu uns. Eine
Frau, die zum Glauben kam, erzählte, wie sie ganz zaghaft begann,
auf einer Parkbank mit Gott zu reden. Sie fing an: „Gott, wer bist du –
hörst du mich? Zeig dich mir.“ Und sie machte erstaunliche Erfahrungen,
sie spürte, dass einer da war, der sie hörte. In den nächsten
Tagen nahm sie kleine Grüße des Himmels wahr, die sie bestätigten.
Ja, das Gebet ist keine Einbahnstraße. Auch wenn wir nicht an diesem
Anfangspunkt stehen, es lohnt sich, immer wieder Neues von Gott zu entdecken,
das kann auf einer Parkbank beginnen.
-
Gottes Geschichte kennenlernen.
Wer Gott ist, können wir aus seiner Geschichte erfahren, wie sie uns
die Bibel überliefert. Besonders an der Beschreibung des Lebens Jesu
wird uns deutlich, wer Gott ist, was er will und was er für uns will.
Sicher ist Bibellesen nicht jedermanns Ding, und oft ist sie auch ein bisschen
kompliziert. Aber es gibt Hilfen, sie zu verstehen, und Mitchristen, die
weiterhelfen können. Einen Krimi im Fernsehen z.B. verfolgen
wir gespannt 90 Minuten, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Wie
wäre es, mal 90 Minuten zu investieren, um einer schwierigen Bibelstelle
auf die Spur zu kommen? Da könnten wir ganz schön lange telefonieren,
googeln, Parallelstellen lesen oder uns mit der Bibel unter dem Arm zum
Kaffee verabreden. Und von meiner Erfahrung her kann es sogar noch spannender
werden, als den Mörder zu finden.
-
Gemeinsam. Mit dem Kaffeetrinken
sind wir schon beim nächsten Element, der Unterstützung durch
andere Christen. Sie motivieren nicht nur, sondern fordern durch ihre Andersartigkeit
auch heraus. Wir müssen uns hinterfragen lassen und auch verändern,
wenn wir mit ihnen unterwegs bleiben wollen. Gemeinsam sind wir stärker.
Einer allein hätte die Überraschungs-Kirche am Freitag nicht
durchziehen können. Da war das ganze Team gefragt und gefordert. Teams
können bewegen und Bewegungen auslösen, wozu Einzelne nie in
der Lage wären.
-
Hingabe. In der Lesung hörten
wir von einem reichen jungen Mann, der von Jesus an einem wunden Punkt
erwischt wurde, er sollte sein Geld weggeben. Wir haben unterschiedliche
wunde Punkte, kennen sie meistens sehr genau. Vielleicht will Jesus von
uns nicht, dass wir Geld weggeben, sondern unsere Prioritäten anders
setzen. Etwas für Jesus hingeben, lässt unsere Hände frei
werden für das, was Jesus von uns will.
-
Tiefe. Auch wenn wir es nicht
mögen und uns schon gar nicht wünschen, gehören auch dunkle
Zeiten zu unserem Leben mit Gott und formen uns in ganz besonderer Weise.
Wenn mir das Wasser bis zum Hals steht oder mein Lebenshaus vom Erdbeben
geschüttelt wird, erweist sich, ob Gott für mich da ist, ob er
mich wie eine Mutter tröstet oder mir hilft, aufzustehen und weiterzulaufen.
-
Aufgaben. Wenn Paulus uns
ans Herz legt, dem Ziel entgegenzulaufen, dann meint er ja nicht, dass
wir einfach losrennen sollen, als wäre ein Jäger hinter uns her
und würde mit der Schrotflinte auf uns zielen. Unser Lauf sollte ein
gestalteter Lauf sein, gestaltet durch die Aufgaben, die Gott uns auf den
Weg legt. Unsere Berufung zu erkennen, aufzuspüren, wo er uns haben
will, ist immer wieder neu nötig, denn Randbedingungen ändern
sich. Vor zwei Jahren hätte ich gesagt, ich mache in der Gemeinde
alles, nur keine Jungschar. Jetzt mache ich sie, weil Gott mich dahin gerufen
hat. Ich schüttele die Stunden nicht aus dem Ärmel, aber ich
merke, wie Gott mir Liebe dazu schenkt, wie meine Gedanken die Woche über
um die Kinder kreisen und wie er mir wunderbare Mitarbeiterinnen schenkt,
die mit am Start sind. Das hätte ich nie erlebt, wenn ich nicht offen
für die Aufgaben Gottes gewesen wäre.
Ausgeleierte Stützstrümpfe
sollte man besser entsorgen. Bei einem Glauben, der sich wie ausgeleierte
Stützstrümpfe anfühlt, ist Gott wie ein Handwerker, den
ich beim Wasserschaden schnell im Internet gefunden habe und herbeirufe.
Ich will, dass er das Wasserrohr wieder flickt und dann tschüss bis
hoffentlich nicht zum nächsten Mal. Gott reagiert auch auf solche
Hilferufe. Er kommt und hinterlässt seine Visitenkarte mit der Nachricht:
„Gerne auch täglich und für immer“.
Wir werden heute aufgefordert,
unsere Stützstrümpfe des Glaubens genau anzuschauen. Vielleicht
sind neue nötig, damit wir die ganze Fülle der Gegenwart Gottes
schon heute erleben. Der Lorbeerkranz ist uns zugesprochen, das Ja Gottes
steht, aber auch der Weg dahin lohnt sich, Freude und Erfüllung ist
nicht erst in Ewigkeit, sondern schon an diesem Sonntag zu spüren.
Cornelia
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