Glaube will mehr (1.Korinther 9,24-27)
Gottesdienst am 31.1.2016 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
eine junge Frau in meiner Bekanntschaft hat seit früher Jugend einen Traum, sie will Dirigentin werden. Nach der Schule hieß das für sie, mit ganz viel Engagement ein weiteres Instrument zu lernen, um die Aufnahmeprüfung zu schaffen. Wochen- und monatelang übte sie, alles andere wurde zweitrangig. Für ihre Umgebung war sie in dieser Zeit abgetaucht. Natürlich haben wir sie immer wieder gefragt, ob sich dieser Einsatz denn lohne. Es gibt doch noch so viele andere spannende Berufe. Aber für sie stand fest, das und sonst nichts. Jede Minute, so sagte sie, war es ihr wert.

Menschen in der Gemeinde in Korinth hatten Paulus längere Zeit beobachtet. Sie sahen, wie diszipliniert er seinen Alltag gestaltete. Sein Geld verdiente er als Zeltmacher, und seine Freizeit verbrachte er als reisender Missionar, Prediger und Gemeindeleiter.  „Work and travel“ würden wir das Modell heute wahrscheinlich nennen. Er schlief in fremden Betten, wurde verhaftet und gefoltert, verfolgt und in Gemeinden von manchen angefeindet. Lohnt sich das denn, so fragten sich die Leute in Korinth. Kann man Glauben nicht auch weniger anstrengend leben? Hätte Paulus nicht ganz normal von Montag bis Freitag in seiner eigenen Zeltwerkstatt arbeiten können, mit dem Verdienten ein Haus bauen, eine Familie ernähren und am Sonntag dann den Gottesdienst gestalten können? Er hätte sich das Herumreisen und die Verfolgungen gespart, und, so wussten es die Korinther doch von Paulus, Gott hätte ihn auch so geliebt.

Paulus war in Rechtfertigungsnot. Er musste ihnen begreiflich machen, warum er solche Strapazen auf sich nahm. Gleichzeitig, so spüren wir es ihm ab, wollte er sie – und damit auch uns heute – hinterfragen. Findet ihr es ok, wie ihr euren Glauben lebt, oder ist da noch mehr Intensität, Freude, Begeisterung und Einsatz drin?

Paulus vergleicht sein Leben mit Sportlern, die bei den Isthmischen Spielen in Korinth mitmachten. Seit 44 n.Chr. gab es diese Spiele in Korinth, Wettkämpfe in Leicht- und Schwerathletik wurden durchgeführt, Laufen und Faustkampf gehörten dazu.

1.Korinther 9,24-27

Ihr wisst doch, dass an einem Wettlauf viele teilnehmen; aber nur einer bekommt den Preis, den Siegeskranz. Darum lauft so, dass ihr den Kranz gewinnt! Alle, die an einem Wettkampf teilnehmen wollen, nehmen harte Einschränkungen auf sich. Sie tun es für einen Siegeskranz, der vergeht. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz, der unvergänglich ist. Darum laufe ich wie einer, der das Ziel erreichen will. Darum kämpfe ich wie ein Faustkämpfer, der nicht danebenschlägt. Ich treffe mit meinen Schlägen den eigenen Körper, sodass ich ihn ganz in die Gewalt bekomme. Ich will nicht anderen predigen und selbst versagen.

Die Sportler hatten wie die Musikerin aus meiner Bekanntschaft ein großes Ziel vor Augen, den Lorbeerkranz, die Goldmedaille.  Dieses Ziel motiviert und bestimmt das ganze Leben. Wer ein solches Ziel vor Augen hat, verzichtet auf Freizeit, Zerstreuung, Faulenzen, Pflege von Freundschaften, ungesundes Essen. Auch in der Zeit zwischen den Trainingseinheiten kreisen die Gedanken um Übungen und Trainingsinhalte. Wer sich auf einen solchen Weg begibt, wird darüber nicht klagen, er weiß, er könnte auch anders, aber er will das Ziel. Das gibt ihm Kraft, jeden Tag wieder in die Trainingsstunden zu gehen.

Die Theorie …
Paulus ermutigt mit diesem Bild, das Leben auf ein Ziel, auf Gott hin auszurichten. Es geht bei Christen nicht um gewinnen oder verlieren. Wer Jesus in sein Leben gelassen hat, weiß sich gerettet ohne eigenes Dazutun. So als hätte Jesus ihn mit dem Rettungsring aus dem aufgewühlten Meer gezogen. Seine Laufleistung spielte da überhaupt keine Rolle. 

Aber einmal gerettet heißt  ja nicht, dass wir es uns in Liegestühlen auf dem Deck des Rettungsbootes Jesu bequem machen und warten, bis das Schiff irgendwann in der Ewigkeit Gottes ankommt. Gerettete werden in ihren Alltag entlassen und können dort mit ihrer Erfahrung und unterstützt vom Geist Gottes loslegen. Sie haben nun ein Ziel vor Augen, so zu sein, wie Gott sie gemeint hat, so zu handeln, wie es Gottes Willen entspricht, sich dafür einzusetzen, wofür Jesus sich einsetzt. Dieses Ziel, in Gottes Bestimmung für unser Leben hineinzuwachsen, motiviert.

Und wie es wirklich ist …
Unsere Realität sieht oft anders aus. Sie kennen wahrscheinlich auch Stützstrümpfe. Sie helfen, das Blut aus den Beinen wieder in den Körper zurückfließen zu lassen und unterstützen schwache Venen. So nützlich sind Stützstrümpfe, dass sogar die Krankenkassen für das An- und Ausziehen bezahlen, denn das ist richtig schwierig, sind die Strümpfe doch extrem eng. Eigentlich wusste auch meine Mutter, dass die Strümpfe nur sinnvoll sind, wenn sie eng sind und die Beine so in Form bringen, dass das Blut nicht in den Füßen versackt. Aber sie liebte besonders die Strümpfe, die schon alt und ausgeleiert waren. Die konnte sie selbst an- und ausziehen, und sie fühlten sich so bequem an, dass sie sie gar nicht spürte. Und ich fürchte, mir wird es auch mal so wie meiner Mutter gehen. Ich werde auch die Stützstrümpfe lieben, denen ich mich nicht anpassen muss, sondern die sich mir anpassen.

Vielleicht können wir unseren Glauben mit diesem Phänomen vergleichen. Unser Glaube an Gott sorgt dafür, dass wir unser Leben meistern können, Kraft haben und nicht versacken in Traurigkeit, Mutlosigkeit, Selbstvorwürfen und Schuld. Doch der Glaube braucht unterstützende Formen, um dem Ziel unseres Lebens, wie Gott es gemeint hat, näher zu kommen. Sonst passt er sich einfach unseren Gedanken und Vorstellungen an und hat keine Kraft, uns zu verändern.

Ein paar formende Elemente möchte ich nennen.

  • Das Gebet. Mit einem Ansprechen und Reden beginnt jede Beziehung, auch die zu Gott und Gottes zu uns. Eine Frau, die zum Glauben kam, erzählte, wie sie ganz zaghaft begann, auf einer Parkbank mit Gott zu reden. Sie fing an: „Gott, wer bist du – hörst du mich? Zeig dich mir.“ Und sie machte erstaunliche Erfahrungen,  sie spürte, dass einer da war, der sie hörte. In den nächsten Tagen nahm sie kleine Grüße des Himmels wahr, die sie bestätigten. Ja, das Gebet ist keine Einbahnstraße. Auch wenn wir nicht an diesem Anfangspunkt stehen, es lohnt sich, immer wieder Neues von Gott zu entdecken, das kann auf einer Parkbank beginnen.
  • Gottes Geschichte kennenlernen. Wer Gott ist, können wir aus seiner Geschichte erfahren, wie sie uns die Bibel überliefert. Besonders an der Beschreibung des Lebens Jesu wird uns deutlich, wer Gott ist, was er will und was er für uns will. Sicher ist Bibellesen nicht jedermanns Ding, und oft ist sie auch ein bisschen kompliziert. Aber es gibt Hilfen, sie zu verstehen, und Mitchristen, die weiterhelfen können. Einen Krimi im Fernsehen z.B.  verfolgen wir gespannt 90 Minuten, um dem Täter auf die Spur zu kommen. Wie wäre es, mal 90 Minuten zu investieren, um einer schwierigen Bibelstelle auf die Spur zu kommen? Da könnten wir ganz schön lange telefonieren, googeln, Parallelstellen lesen oder uns mit der Bibel unter dem Arm zum Kaffee verabreden. Und von meiner Erfahrung her kann es sogar noch spannender werden, als den Mörder zu finden.
  • Gemeinsam. Mit dem Kaffeetrinken sind wir schon beim nächsten Element, der Unterstützung durch andere Christen. Sie motivieren nicht nur, sondern fordern durch ihre Andersartigkeit auch heraus. Wir müssen uns hinterfragen lassen und auch verändern, wenn wir mit ihnen unterwegs bleiben wollen. Gemeinsam sind wir stärker. Einer allein hätte die Überraschungs-Kirche am Freitag nicht durchziehen können. Da war das ganze Team gefragt und gefordert. Teams können bewegen und Bewegungen auslösen, wozu Einzelne nie in der Lage wären.
  • Hingabe. In der Lesung hörten wir von einem reichen jungen Mann, der von Jesus an einem wunden Punkt erwischt wurde, er sollte sein Geld weggeben. Wir haben unterschiedliche wunde Punkte, kennen sie meistens sehr genau. Vielleicht will Jesus von uns nicht, dass wir Geld weggeben, sondern unsere Prioritäten anders setzen. Etwas für Jesus hingeben, lässt unsere Hände frei werden für das, was Jesus von uns will.
  • Tiefe. Auch wenn wir es nicht mögen und uns schon gar nicht wünschen, gehören auch dunkle Zeiten zu unserem Leben mit Gott und formen uns in ganz besonderer Weise. Wenn mir das Wasser bis zum Hals steht oder mein Lebenshaus vom Erdbeben geschüttelt wird, erweist sich, ob Gott für mich da ist, ob er mich wie eine Mutter tröstet oder mir hilft, aufzustehen und weiterzulaufen.
  • Aufgaben. Wenn Paulus uns ans Herz legt, dem Ziel entgegenzulaufen, dann meint er ja nicht, dass wir einfach losrennen sollen, als wäre ein Jäger hinter uns her und würde mit der Schrotflinte auf uns zielen. Unser Lauf sollte ein gestalteter Lauf sein, gestaltet durch die Aufgaben, die Gott uns auf den Weg legt. Unsere Berufung zu erkennen, aufzuspüren, wo er uns haben will, ist immer wieder neu nötig, denn Randbedingungen ändern sich. Vor zwei Jahren hätte ich gesagt, ich mache in der Gemeinde alles, nur keine Jungschar. Jetzt mache ich sie, weil Gott mich dahin gerufen hat. Ich schüttele die Stunden nicht aus dem Ärmel, aber ich merke, wie Gott mir Liebe dazu schenkt, wie meine Gedanken die Woche über um die Kinder kreisen und wie er mir wunderbare Mitarbeiterinnen schenkt, die mit am Start sind. Das hätte ich nie erlebt, wenn ich nicht offen für die Aufgaben Gottes gewesen wäre.
Ausgeleierte Stützstrümpfe sollte man besser entsorgen. Bei einem Glauben, der sich wie ausgeleierte Stützstrümpfe anfühlt, ist Gott wie ein Handwerker, den ich beim Wasserschaden schnell im Internet gefunden habe und herbeirufe. Ich will, dass er das Wasserrohr wieder flickt und dann tschüss bis hoffentlich nicht zum nächsten Mal. Gott reagiert auch auf solche Hilferufe. Er kommt und hinterlässt seine Visitenkarte mit der Nachricht: „Gerne auch täglich und für immer“. 

Wir werden heute aufgefordert, unsere Stützstrümpfe des Glaubens genau anzuschauen. Vielleicht sind neue nötig, damit wir die ganze Fülle der Gegenwart Gottes schon heute erleben. Der Lorbeerkranz ist uns zugesprochen, das Ja Gottes steht, aber auch der Weg dahin lohnt sich, Freude und Erfüllung ist nicht erst in Ewigkeit, sondern schon an diesem Sonntag zu spüren.

Cornelia Trick


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