Aufsatz aus der Zeitschrift
podium 4/2003
"In welche Gemeinde sollen wir investieren?"
Diese Frage haben sich die Korinther vielleicht auch gestellt. Sie waren
keine arme oder kleine Gemeinde. Sie hatten wohlhabende Mitglieder, die
durchaus auch manches weitergaben. Die Korinther wussten um die Kollektensammlung
für Jerusalem. Diese Sammlung war für Paulus Herzensangelegenheit.
Für ihn brachte die Kollekte für die arme Gemeinde in Jerusalem
zum Ausdruck, dass die heidenchristlichen Gemeinden in Liebe mit ihrer
"Muttergemeinde" in Jerusalem verbunden waren. Doch sollten die Korinther
wirklich in diese alte Gemeinde investieren, die ihnen doch gar nichts
mehr nutzte, die weit weg war und noch dazu durch judenchristliche Prägung
ganz unterschiedliche Ansichten vertrat?
Antwort auf die Gnade Gottes
Paulus wird diese Fragen gekannt haben. Denn er
stieg sehr grundsätzlich in die Thematik ein (2.Korinther 8,1-15).
Bevor er aufforderte, die begonnene Sammlung nun zum Abschluss zu bringen,
sprach er von der geistlichen Motivation für dieses Anliegen. Gottes
Gnade ist Ursprung für alle Bereitschaft zum Geben und Teilen. Gottes
Gnade bewirkt eine Haltung, die offen werden lässt für die Bedürfnisse
anderer. Paulus machte das an einem Beispiel fest. In den Gemeinden der
Landschaft Mazedoniens war für ihn diese Gnade Gottes gerade spürbar
am Wirken. Die Gemeindeleute mussten durch Zeiten der Bedrängnis auf
Grund ihres Glaubens gehen. Doch trotz Leiden wurde ihre Freude dabei größer.
Gottes Gnade verwandelte die Bedrängnisse in Freude. Genauso ließ
Gottes Gnade unter den armen Gemeinden eine erstaunlich große Hilfsbereitschaft
wachsen. Sie spendeten mehr als sie konnten und brauchten noch nicht mal
eine Aufforderung dazu. Sie drängten Paulus ihre Hilfe für Jerusalem
geradezu auf und wollten damit als Heidenchristen ihre Gemeinschaft mit
den Judenchristen zeichenhaft zum Ausdruck bringen. Sie schenkten sich
damit selbst dem Herrn, um ihm zu dienen und sich ihm zur Verfügung
zu stellen. Die Geldsammlung bekam so eine geistliche Bedeutung, sie wurde
für die mazedonischen Gemeinden zu einer Antwort auf die Gnade Gottes,
die sie empfangen hatten.
Eine Gemeinde lernt von
der anderen
Das Beispiel der mazedonischen Gemeinden gab den
Korinthern Anleitung, selbst ihre Gebefreude zu hinterfragen. Sie sollten
geben, weil Gott ihnen - sogar im Überfluss - gab. Die geschenkte
Gnade kam bei den Korinthern zum Ausdruck durch Glauben, durch die Verkündigung
des Wortes Gottes, durch Erkenntnis, durch guten Willen und gegenseitige
Liebe. Dies alles war nicht Ausdruck einer besonders tüchtigen Gemeinde,
sondern zeigte Gottes unverdiente Gnade. So folgerte Paulus daraus, dass
die Gemeinde auch viel zu geben hatte von ihrem Überfluss. Und wie
Jesus arm wurde, um uns reich zu machen, so sollten sie Jesus nacheifern.
Der hatte sie ja schon reich gemacht und befähigt, den Armen in Jerusalem
zu geben. Paulus appellierte an die selbstlose Liebe der Korinther. Sie
sollten von sich wegsehen und auf die schauen, die ihre Gaben brauchten.
Er knüpfte dabei an das Bild vom Leib Christi, der Gemeinde an. Alle
Glieder sollten füreinander da sein und dazu beitragen, dass der Organismus
lebensfähig war. Hier wandte Paulus das Bild auf das Gefüge der
Gemeinden in der Welt an. Sie alle sind wie Glieder eines Leibes und füreinander
verantwortlich. Und noch eine Begründung zog Paulus heran. Ihn erinnerte
die Zusammengehörigkeit der Gemeinden an das Volk Gottes, das gemeinsam
in der Wüste Manna bekam. Auch da wurden alle satt, unabhängig
davon, ob sie viel oder wenig sammelten. Ob die Korinther diese Argumentation
nachvollzogen haben? Ob sie sich voller Dankbarkeit an ihre Wurzeln in
Jerusalem erinnert und Gott für seine Güte mit einer kräftigen
Sammlung gedankt haben? Wir wissen nur, dass Paulus wirklich mit der Kollekte
wieder nach Jerusalem zurück gekehrt ist. Auch die Korinther werden
sich daran beteiligt haben.
Wer braucht unsere Gabe?
Ob wir uns heute der Argumentation des Paulus anschließen?
Und wer ist unsere "Jerusalemer Urgemeinde", die unsere Gaben braucht?
Sicher besteht kein Zweifel, dass Paulus hier einen ganz wichtigen Aspekt
des Gemeindelebens anspricht. Was wir als Gemeinde haben, haben wir nicht
uns selbst zu verdanken, es ist Gottes Geschenk. Und dieses Geschenk drängt
zum Teilen und Weitergeben und bleibt nicht in unseren eigenen vier Wänden.
Doch wie investieren wir nun? Da ist zum einen der Aspekt der Verbundenheit,
den Paulus hier betonte. Unser System des finanziellen Lastenausgleichs
zwischen den Bezirken bekommt dadurch geistliche Bedeutung. Doch noch ein
anderer Aspekt ist mir wichtig. Wir sind als Gemeinde da, um Menschen in
die Nachfolge zu rufen. Das geschieht unseren Gaben gemäß sehr
unterschiedlich. Manchmal sogar so, dass eine neue Gemeinde gegründet
wird, die wieder Heimat für neue Christen werden kann. Hier heißt
es, beim Investieren der Gaben nicht rückwärts orientiert nur
die Verbundenheit der gemeinsamen Herkunft zu bedenken, sondern vorwärts
orientiert neue Gemeinden zu ermöglichen. Gibt es eine allgemein gültige
Antwort, aus Paulus Worten abgeleitet? Ich meine, nein. Das führt
uns ins Gebet. Aus der Apostelgeschichte wissen wir um solche Entscheidungsfindungen,
die in intensivem Gebet und der Offenheit für Gottes Weisung geschahen.
Ich möchte mir das zu Herzen nehmen und nicht nur auf der Sachebene
die Argumente prüfen, die zur Investition in diese schon lang bestehende
oder jene neue Gemeinde führen. Ich möchte mit Brüdern und
Schwestern über unseren Plänen beten und offen sein für
den Weg, den Gott uns zeigen will.
Cornelia
Trick
|