Knospen im Winter (Lukas 21,25-33)
Gottesdienst am 07.12.2014 in Brombach

Liebe Gemeinde, 
drei Erlebnisse im Advent zeigen, wie vielschichtig diese Zeit ist.
Bei einem Besuch werde ich schon von intensivem Plätzchenduft empfangen. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen. Sicher wird bei unserem Kaffeetrinken auch etwas von den frisch gebackenen Kunstwerken auf dem Tisch stehen. Aber weit gefehlt. Zum Kaffee gab es nichts davon. Die Bäckerin erklärte mir, dass Advent doch Bußzeit sei und man in der Fastenzeit noch keine Plätzchen essen dürfte. Die werden erst zu Weihnachten ausgepackt.

Ein Besuch bei einer jungen Familie. Wir unterhielten uns angeregt, während es im Kinderzimmer immer ruhiger wurde. Wir schauten alarmiert nach. Die Kinder waren eifrig beschäftigt, ein großer Haufen Spielzeug lag im Zimmer, die Regale fast leer. Gefragt, was das denn soll, antworteten sie mit strahlenden Augen: Wenn das Christkind uns neue Spielsachen bringt, sollten wir auch Platz dafür haben. Jetzt schmeißen wir alles raus, was wir nicht mehr brauchen und räumen für das Christkind auf.

Ein Theaterstück bei einer Weihnachtsfeier trägt den Titel „Auf dem Bahnsteig“. Verschiedene Menschen warten auf jemand, dessen Ankunft sich verzögert. Von gleichgültig über ungeduldig bis hin zum Weglaufen reichte das Spektrum, wie Menschen sich auf dem Bahnsteig verhielten. Würden sie merken, wenn der König der Welt ankommt?

Alle drei Szenen beschreiben den Advent und seinen Inhalt. Es ist Bußzeit, Zeit der Einkehr und Umkehr. Damit Jesus auch wieder neu in unser Leben kommen kann, müssen wir aufräumen, Platz für ihn schaffen und uns vielleicht auch von manchem trennen, das uns liebgeworden ist. 

Doch Advent meint auch die Wartezeit auf das Wiederkommen Jesu zum Weltgericht. Wie gestalten wir sie, gleichgültig, ungeduldig, weglaufend oder gespannt und aufmerksam?

Der 2. Advent hat im Reigen der 4 Adventssonntage den Schwerpunkt auf dem Wiederkommen Jesu Christi. Er ruft uns in Erinnerung, dass es nicht nur um Gemütlichkeit, Kerzenschein und Kindheitserinnerungen geht, sondern Adventsmenschen nach vorn schauen und etwas erwarten.

Jesus redet über sein Wiederkommen in einer Rede über die letzte Zeit. Diese letzte Zeit ist längst seit Ostern schon angebrochen, dauert an und reicht bis zum Ende dieser Welt. Jesus beschreibt diese lange Adventszeit so:

Lukas 21,25-33

»Unheil kündende Zeichen werden zu sehen sein an der Sonne, am Mond und an den Sternen, und auf der Erde werden die Völker zittern und nicht mehr aus und ein wissen vor dem tobenden Meer und seinen Wellen. Die Menschen werden halb tot vor Angst darauf warten, was für Katastrophen die Erde noch heimsuchen werden. Denn die ganze Ordnung des Himmels wird zusammenbrechen. Dann kommt der Menschensohn auf einer Wolke mit göttlicher Macht und Herrlichkeit, und alle werden ihn sehen. Wenn ihr die ersten Anzeichen von alldem bemerkt, dann richtet euch auf und erhebt freudig den Kopf: Bald werdet ihr gerettet!« Jesus gebrauchte einen Vergleich; er sagte: »Seht den Feigenbaum an oder die anderen Bäume! Wenn die ersten Blätter herauskommen, dann erkennt ihr daran, dass der Sommer bald da ist. So ist es auch, wenn ihr diese Anzeichen seht. Dann wisst ihr, dass die neue Welt Gottes anbricht. Ich versichere euch: Diese Generation wird das alles noch erleben. Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte vergehen nicht; sie bleiben gültig für immer und ewig.«

Jesus redet über sein Wiederkommen am Ende der Welt. Zeichen werden geschehen, die den Menschen Angst machen. Naturkatastrophen zeigen, dass Himmel und Erde aus dem Gleichgewicht geraten sind. Die Menschen werden mutlos und vergehen vor Angst. Man könnte auch sagen, sie wissen nicht mehr ein noch aus. Sie fürchten sich vor dem nächsten Tag. Sie sind erschöpft und verlieren ihre Seele. Die Angst vor dem Kommenden raubt ihnen Saft und Kraft. Das ist durchaus unsere Alltagserfahrung. Wenn wir ehrlich sind, war es schon immer die Alltagserfahrung von Menschen, nicht erst, seit Klimaveränderungen und globale Seuchen uns das Weltende wahrscheinlicher werden lassen. Wenn sie Erdbeben erlebten, sich in Kriegen und Hungerkatastrophen wiederfanden oder ihre Dörfer niederbrannten wurden sie an Jesu Worte erinnert und sagten sich: Ja, jetzt ist es soweit, diese Welt bricht zusammen. Der Boden wird schwankend und der Himmel fällt uns auf den Kopf. 

Jesus sagte diese Worte, um uns in einer solchen Katastrophenstimmung an die Hand zu nehmen. Er nimmt uns mit in die Natur. Es ist Winter, die Bäume sind kahl. Doch Jesus macht uns aufmerksam, da sind schon Ansätze von neuem Leben. Die Blätter können sich zwar in der Kälte noch nicht entwickeln, aber wir können ahnen, wo sie einmal wachsen werden. Mitten im Frost ist Hoffnung auf Leben. In Israel war es der Feigenbaum, der im Winter schon die Knospen für das Frühjahr trug. In meinem Garten ist es die Hasel, die fast vorwitzig grüne Triebe durch den Winter trägt.

Jesus zeigt auf diese Knospen und will uns damit zu verstehen geben, dass nicht der Winter das letzte Wort hat, nicht Krieg und Kriegsgeschrei, Katastrophen und Klimawandel. Wir müssen nicht verzweifeln, weglaufen oder die Welt abschreiben. Jesus kommt wieder und erlöst, er rettet, er gibt neue Kraft und wird eine neue Welt schaffen, die von Frieden und Freiheit geprägt ist. 

So ist die Adventszeit eigentlich Knospenzeit. Wir leben mitten in schwierigen Zeiten. Das Leid um uns herum ist groß. Eine Klimakonferenz mahnt zur Umkehr, aber die Umsetzung der Klimaziele wird wahrscheinlich wieder auf der Strecke bleiben. Politiker sollen das Land regieren, aber ihre Glaubwürdigkeit ist auf einem Tiefpunkt. Die Menschen erwarten gar nicht mehr, dass sie helfen können. Eine junge Frau stirbt, weil sie zwei Mädchen bei einer Belästigung verteidigt hat. Nur wenige Schlagzeilen dieser Woche machen deutlich, dass wir die Knospen der Hoffnung dringend brauchen. Noch ist Jesus verborgen, wir können ihn nicht sehen, er redet mit uns eher indirekt. Aber er ist schon da, die Knospen sind voller Leben. 

Die Adventszeit ist deshalb eine Erinnerung. Jesus will unser Leben durchdringen. Da sind Konflikte, Beziehungsbrüche, man geht sich aus dem Weg. Jesus will uns ermutigen zum ersten Schritt, zum Vergeben, zum Neuanfang. Die toten Äste der Beziehungen können neue Knospen tragen. Da sind Dinge, die wir klären müssen, Träume, von denen wir uns verabschieden müssen, Ärger, den wir loswerden wollen. Jesus hilft uns, unser Herz frei zu bekommen für seine Themen, seine Träume für unser Leben, seine Wege, die er mit uns gehen will. Dabei müssen wir nicht erst auf ihn warten, wie das Theaterstück es zeigte, sondern er ist ja schon längst bei uns. Er geht mit uns, kümmert sich um uns und wartet, dass wir ihn wahrnehmen in dem Getümmel auf unserem persönlichen Bahnsteig. Was da am Ende der Zeiten noch kommen wird, sind seine Kleider, seine Koffer, die für alle erkennbar machen, dass er der Herr der Welt ist.

Angst soll nicht unser Leben bestimmen, denn Jesus steht dafür ein, dass unsere Erlösung naht. Wir können die Köpfe heben und ihm entgegensehen. Ein besonderer Ort, wo diese Zuversicht zum Ausdruck kommt, sollte die christliche Gemeinde sein.  Hier leben wir von den Knospen, machen uns darauf aufmerksam und lassen sie spürbar werden.

Woran zeigt sich das? Sicher im Miteinander, dass wir uns wahrnehmen, hören, dass wir einander Mut machen, einander auch in schweren Zeiten begleiten. Vielleicht können wir in diesen Tagen auch bei unseren Zusammenkünften erzählen, wie Jesus uns in diesem Jahr begegnet ist, wo wir ihn erfahren haben, welche Wege er uns geführt hat. Mag sein, wir können uns helfen, alte Geschichten auszuräumen, zu vergeben, loszulassen, was uns nachhängt und letztlich von Jesus trennt. Wir werden Gelegenheit finden, andere auf unsere Blickrichtung hinzuweisen, sie mitzuziehen, sie spüren zu lassen, dass Advent bedeutet, dass einer gekommen ist und kommen wird, um uns zu erlösen.

Es wäre schön, wir könnten diesen Advent 2014 erleben als eine Zeit, in der wir unseren Blick heben, spüren, dass Fesseln gefallen sind und wir wieder neu damit rechnen, dass Jesus in unser Leben und in unsere Welt kommt und das Unheil nicht das letzte Wort haben wird.

Cornelia Trick


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