Mose betet (2.Mose 32,7-14)
Gottesdienst am 25.05.2014 in Usingen-Merzhausen

Liebe Gemeinde,
dieser Sonntag trägt im Kirchenjahr die Überschrift „Rogate“ – „Betet!“. Er gibt uns Anlass, uns auf die Urform des christlichen Glaubens zu besinnen. Jesus sagte einmal zu seinen Jüngern: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen.“ Die zwei oder drei können konkrete Personen, aber auch Kirchengemeinden über Konfessionsgrenzen hinweg sein. Sie kommen zusammen zum Gebet, erfahren Gemeinschaft in ihrem Reden mit Gott und überwinden Grenzen. Mir persönlich ist beim Beten wichtig, dass es einen Zugang zu Gottes innerstem Wesen, seinem Herzen, ermöglicht. Das Gespräch mit Gott ist dabei oft wichtiger als die Erhörung meiner vielfältigen Bitten. Auch die Zweifel haben Raum in dieser Unterhaltung. Ich lege sie dem hin, der mir helfen kann, sie zu überwinden.

Heute wagen wir einen kleinen Blick zu den Anfängen des Volkes Israel und seiner Gottesbeziehung. Es ist zugleich ein Unterricht zum Thema Gebet.

Mose ist schon einige Zeit mit dem Volk Israel durch die Wüste gelaufen, bis sie am Sinai angekommen sind. Mit mächtiger Stimme wurden ihnen die 10 Gebote verkündet. Nun sollte Mose zu Gott auf den Berg zu kommen und die 10 Gebote dort in Empfang zu nehmen. Das Volk musste im Tal bleiben und dort auf Mose warten. Doch die Zeit wurde den Menschen lang. Sie wurden ungeduldig, fühlten sich von Gott und Mose verlassen und riefen nach einem Gott „zum Anfassen“. Aaron, der Bruder von Mose, machte sich das Anliegen zueigen und sammelte Goldschmuck ein, um daraus ein goldenes Kalb zu gießen. Nun hatte man einen Gott zum Anfassen, mitten drin und nicht unnahbar weit entfernt. Ein großes Fest wurde gefeiert, und es heißt, man hat „seine Lust getrieben“.

Oben, so erinnern wir uns, ist die Gottesgemeinde – Gott und Mose. Unten feiert die Aarongemeinde ein goldenes Standbild. Sie nimmt Gott selbst in die Hand. Ihren Wünschen gibt sie mit diesem Stierbild ein Konterfei.

Sind wir als Gemeinde Jesu oben bei Mose oder unten bei Aaron? Nehmen wir Gott selbst in die Hand, wie wir ihn gerne hätten? Oder lassen wir uns von Gott sagen, wie er uns gerne hätte?

Die Aarongemeinde wollte ja an Gott festhalten, aber zu ihren Bedingungen. Sie haben Gott verformt, er war nicht mehr Gegenüber, sondern ihr Talismann zum Selbermachen.

2.Mose 32,7-14

Der HERR sprach aber zu Mose: Geh, steig hinab; denn dein Volk, das du aus Ägyptenland geführt hast, hat schändlich gehandelt. Sie sind schnell von dem Wege gewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein gegossenes Kalb gemacht und haben's angebetet und ihm geopfert und gesagt: Das ist dein Gott, Israel, der dich aus Ägyptenland geführt hat. Und der HERR sprach zu Mose: Ich sehe, dass es ein halsstarriges Volk ist. Und nun lass mich, dass mein Zorn über sie entbrenne und sie vertilge; dafür will ich dich zum großen Volk machen. Mose aber flehte vor dem HERRN, seinem Gott, und sprach: Ach HERR, warum will dein Zorn entbrennen über dein Volk, das du mit großer Kraft und starker Hand aus Ägyptenland geführt hast? Warum sollen die Ägypter sagen: Er hat sie zu ihrem Unglück herausgeführt, dass er sie umbrächte im Gebirge und vertilgte sie von dem Erdboden? Kehre dich ab von deinem grimmigen Zorn und lass dich des Unheils gereuen, das du über dein Volk bringen willst. Gedenke an deine Knechte Abraham, Isaak und Israel, denen du bei dir selbst geschworen und verheißen hast: Ich will eure Nachkommen mehren wie die Sterne am Himmel, und dies ganze Land, das ich verheißen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es besitzen für ewig. Da gereute den HERRN das Unheil, das er seinem Volk zugedacht hatte.

Gottes Zorn

Gott nimmt die Gemeinde ernst. Er denkt nicht über sie wie über eine Kindergartengruppe, „die können ja nicht anders“. Sie haben seine Treue verraten und alles Gute vergessen, das sie mit Gott verbindet,  die Befreiung aus der Sklaverei, dass er in Wolken- und Feuersäule immer da gewesen ist, dass er ihnen Brot und Wasser gegeben hat, wann immer sie es brauchten. Nun waren sie ein paar Tage ohne Gotteserfahrung, und schon reagierten sie erschrocken und beleidigt, verstanden die Welt nicht mehr und fragten sich, wo denn der „liebe Gott“ sei.

Gottes Zorn äußert sich auf zweifache Weise. 

Er ringt mit Mose. Auf einmal ist es nicht mehr Gottes Volk, um das es hier geht, sondern Moses Volk, „dein“ Volk. 

Er äußert den Willen, das Volk zu zerschlagen und mit Mose noch mal neu anzufangen, wie er es bei Noah und der Sintflut getan hatte. Ich vergleiche es mit einem Bergsteiger in einer Kletterwand. Der erste Haken reißt aus, das macht noch nichts, der Kletterer hängt noch an anderen Haken. Dann reißen alle Haken nacheinander aus, bis nur noch einer übrigbleibt. Wenn der auch noch ausreißt, fällt der Bergsteiger ungesichert in die Tiefe. Das Volk Israel hatte Gottes Geduld während der ganzen Wanderung fortwährend strapaziert. Einmal schrien sie nach Wasser, dann nach Brot. Immer lenkte Gott ein. Nun ist es genug, das Volk soll in sein Elend ohne Gott fallen, wenn es die Haken achtlos aus der Wand zieht.

Moses Gebet

Mose steht zwischen oben und unten. Er muss sich entscheiden. Er will Gott treu bleiben, das Volk aber auch nicht loslassen. Die winzige Brücke, die Gott ihm baut, begeht er. Nein, Gott soll sein Volk nicht untergehen lassen. Trotz der großen Enttäuschung bittet er um eine Chance zum Überleben.

Sein Gebet ist argumentativ. Würde Gott sein Volk vertilgen, würde das auf ihn selbst zurückfallen. So viel hat er in der Vergangenheit investiert. Soll das alles umsonst gewesen sein? Gott hat schließlich auch einen Ruf zu verlieren. Andere werden über ihn lästern, was das für eine sinnlose Aktion war: Erst die Leute aus Ägypten auf abenteuerliche Weise herauszuholen, um sie dann in der Wüste umkommen zu lassen. Und Mose erinnert Gott an sein eigenes Versprechen gegenüber den Erzvätern Abraham, Isaak und Jakob. Er wollte doch das Volk so zahlreich wie die Sterne am Himmel werden lassen. An dieses Versprechen sollte Gott sich doch halten.

Doch Mose betet auch tapfer. Er fordert Gott zur Umkehr auf, er malt ihm vor Augen, dass er seine Tat bereuen würde. Er legt Gott dessen Liebe und Treue vor, die Liebe, die über den Zorn siegt, und die Treue, die Enttäuschungen aushalten kann.

Moses Gebet verändert die Geschichte. Gott hört und erhört.

Mose als Vorbild?

Mose ist kein Vorbild. Wir können ihn nicht mit Max Mustermann aus der Gemeinde XY vergleichen. Er ist ein in besonderer Weise von Gott Berufener gewesen, der zudem ein Wegbereiter Jesu war. Mose ist in dieser Hinsicht kein Vorbild für die Talgemeinde, sondern viel eher für die Berggemeinde. In der Höhe vor Gottes Thron betete er, und dort wird bis heute für uns gebetet. Jesus ist unser Fürsprecher und Anwalt, der unsere Anliegen vor Gott vertritt und sie dem Vater nahebringt. So heißt es beispielsweise im Römerbrief (8,34): „Christus Jesus ist hier, der zur Rechten Gottes ist und steht für uns beim Vater ein. Er hält an uns fest trotz Treuebruch und Enttäuschung.

Mose ist der Wegweiser, der uns auf Jesus hinweist und einen Einblick in den Himmel gewährt.

Doch Mose ist auch Vorbild. Sein tapferes Eintreten für seine Leute ermutigt uns, es ihm nachzutun. Wir müssen uns mit Trennung, Versagen, Schuld nicht abfinden, sondern können für Vergebung und Neuanfang beten, auch stellvertretend.

  • Für die Kirche Jesu Christi, dass Gott nicht fertig mit ihr wird trotz allem, was sie von ihm trennt.
  • Für Menschen, die uns am Herzen liegen, die in den Niederungen des Lebens ihren Glauben verloren haben oder ihn noch gar nicht für sich selbst finden konnten.
  • Füreinander, bevor wir zur Talgemeinde werden und ungeduldig Gott selbst in die Hand nehmen wollen.
  • Für die unter uns, denen viel zugemutet wird, dass sie Gott begegnen können und erfahren, dass er sie liebhat.
  • Für die, die um ihres Glaubens willen verfolgt werden, dass sie Kraft zum Zeugnis haben und die Himmelsgemeinde hinter sich wissen.
Am Sonntag Rogate werden wir zum Beten ermutigt. Oft bringen uns erst die Schwierigkeiten des Alltags ins Gebet. Gut, wenn wir schon vorher die Verbindung nach oben gepflegt haben und wissen, dass Gott hört und erhört.
Cornelia Trick


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