Neuanfang (Apostelgeschichte 2,1-13)
Gottesdienst am 4.6.2017 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
als Kind nahmen mich meine Eltern öfter mit zum Hauptbahnhof, um dort Leute abzuholen. Wenn wir warten mussten, schaute ich mir fasziniert eine große Anlage einer elektrischen Eisenbahn an, die dort in einem Glaskasten aufgestellt war. Mit kleiner Münze konnte man die Züge fahren lassen, und wenn ich Glück hatte, liefen die Züge gerade, Bahnschranken öffneten und schlossen sich, die Lichter auf den Straßen und in den Häusern leuchteten wechselseitig auf. War das Geld verbraucht, erstarrte die Landschaft wieder.

Mit kleiner Münze wurde ein "Pfingstwunder" im Bahnhof initiiert. Tote Landschaften wurden lebendig, in die Eisenbahnen kam Bewegung.

Im übertragenen Sinn feiern wir genau das heute. Der Heilige Geist wurde ausgegossen auf ängstliche und mutlose Jünger. Sie bekamen eine neue Sprache, die alle verstehen konnten. Sie hatten Kraft und Ausstrahlung, um in die Welt zu gehen und auch in fremden Kulturen für Jesus zu werben. Sie hatten einen tiefen inneren Frieden und lebten ihn, auch wenn sie angegriffen wurden. Sie gründeten Gemeinden, die zu neuen Familien Jesu wurden. Sie hatten keine Existenzängste mehr und nahmen auch Verfolgung und Tod auf sich.

Apostelgeschichte 2,1-13

Als das Pfingstfest kam, waren wieder alle, die zu Jesus hielten, versammelt. Plötzlich gab es ein mächtiges Rauschen, wie wenn ein Sturm vom Himmel herabweht. Das Rauschen erfüllte das ganze Haus, in dem sie waren. Dann sahen sie etwas wie Feuer, das sich zerteilte, und auf jeden ließ sich eine Flammenzunge nieder. Alle wurden vom Geist Gottes erfüllt und begannen in anderen Sprachen zu reden, jeder und jede, wie es ihnen der Geist Gottes eingab. Nun lebten in Jerusalem fromme Juden aus aller Welt, die sich hier niedergelassen hatten. Als sie das mächtige Rauschen hörten, strömten sie alle zusammen. Sie waren ganz verwirrt, denn jeder hörte die Versammelten, die Apostel und die anderen, in seiner eigenen Sprache reden. Außer sich vor Staunen riefen sie: »Die Leute, die da reden, sind doch alle aus Galiläa! Wie kommt es, dass jeder von uns sie in seiner Muttersprache reden hört? Wir kommen aus Persien, Medien und Elam, aus Mesopotamien, aus Judäa und Kappadozien, aus Pontus und aus der Provinz Asien, aus Phrygien und Pamphylien, aus Ägypten, aus der Gegend von Zyrene in Libyen und sogar aus Rom. Wir sind geborene Juden und Fremde, die sich der jüdischen Gemeinde angeschlossen haben, Insel- und Wüstenbewohner. Und wir alle hören sie in unserer eigenen Sprache die großen Taten Gottes verkünden!« Erstaunt und ratlos fragten sie einander, was das bedeuten solle. Andere machten sich darüber lustig und meinten: »Die Leute sind doch betrunken!«

Der Heilige Geist damals und heute

Der Bericht vom ersten Pfingstfest kann uns vorkommen wie eine Geschichte aus ferner Zeit. Noch nie habe ich erlebt, wie sich Feuerflammen auf Köpfen niederließen. Wirkt der Heilige Geist heute anders als damals?

Letzte Woche war ich bei jemand zu Besuch und musste ins Bad. Dort sah ich eine  Gastherme, die offenbar für die Warmwasserversorgung der Wohnung sorgte. Früher hatten wir auch eine solche Therme. Bei ihr konnte man noch die Flammen sehen. Ganz klein war die Gasflamme, wenn kein Warmwasser gebraucht wurde, ein loderndes Feuer entfachte sich dagegen bei Stufe 3.

Vielleicht wirkt der Heilige Geist normalerweise bei uns eher nur wie die Zündflamme für den Leerlauf. Wir sind Christen und leben in einem von christlichen Werten und Traditionen geprägten Land. Jeder kann sich eine Bibel kaufen, es gibt unentgeltliche Glaubenskurse. In einer Kirche mitzuarbeiten bringt im Lebenslauf durchaus Pluspunkte. Mehr Power, ab Stufe 1, ist häufig gar nicht nötig.

Die großen Herausforderungen, wo mehr Heiliger Geist nötig ist, wo wir die große Flamme der Therme brauchen, zeigen sich erst, wenn unser eigenes Leben und/oder das unserer Lieben in Schieflage gerät, und wenn wir uns um Menschen kümmern, die von großer Not betroffen sind. Da merken wir, dass mehr Kraft nötig ist, als wir sie im Normalbetrieb zur Verfügung haben. Da sehnen wir uns nach Zuversicht, die wir uns nicht selber geben können. Da klammern wir uns an die Hoffnung, dass Gott mehr Macht hat als wir und auch das Schlimmste zum Guten wenden kann. 

Das Pfingstfest ist eine jährliche Erinnerung, dass der Regler in unserer Seele nicht nur die Zündflammen-Stellung zulässt, sondern durchaus hochzuregeln ist auf 1, 2 oder 3. Gottes Geist steht zur Verfügung, er wartet auf Einsatz. 

Auswirkungen des Heiligen Geistes auf unser Leben

Gottes Geist bewirkt verschiedene gravierende Veränderungen im Leben.
  • Eine neue Geburt: Bleiben wir bei den Bildern der Eisenbahn und der Gastherme. Wird ein Mensch von Gottes Geist zum ersten Mal berührt, ist das zu vergleichen mit dem Einwurf einer Münze oder dem Streichholz, das die Flamme entzündet. Weder die elektrische Eisenbahn noch die Gastherme wird ohne Einwirkungen von außen in Gang gesetzt. Ein Impuls ist nötig. Diesen Impuls gibt Gott und berührt mit seinem Geist. Das wird von Jesus als neue Geburt bezeichnet. Jetzt ist eine Standleitung zu Gott geschaffen, die Kontakt zu ihm herstellt. Sind es bei der Eisenbahn der Strom und bei der Therme das Gas, ist diese Standleitung zu Gott der Heilige Geist, der uns mit Jesus und dem Vater im Himmel verbindet.
  • Eine neue Familie: Wer mit diesem Geist Gottes berührt wurde, ist in Gottes Familie adoptiert worden. Er oder sie ist nun Kind Gottes, umringt von vielen Geschwistern. Jesus ist ihm nahe als Bruder, er leitet an und hilft, den neuen Vater im Himmel kennenzulernen.
  • Familienähnlichkeit: Wer in einer Familie lebt, nimmt automatisch die Gewohnheiten der Familie, den typischen „Stallgeruch“ an. So ist es auch mit Christen in der neuen Familie Gottes. Sie werden Jesus ähnlicher. Die Werte, die Jesus gelebt hat, werden zu ihren Werten. Gottvertrauen, Liebe zu Gott und den Mitmenschen, ein aufmerksamer Blick auf die, die übersehen werden, Barmherzigkeit und Mitgefühl, Klarheit und Standvermögen zeichnen sie aus.
  • Familienleben: Kinder Gottes sind keine Einzelkinder, sondern leben mit Geschwistern in der Gemeinde. Dort erfahren sie Jesus, können ihre Gaben einbringen, sich stärken lassen für die Aufgaben, bekommen Hilfe, Wegweisung und Unterstützung, lernen sich einzuordnen und abzugeben.
  • Vielfalt der Gaben: Wenn ein Kind Gottes in der Gemeinde Jesu fehlt, wird das allen schmerzhaft bewusst. Jeder und jede ist wichtig. Ich stelle mir gerne ein Haus aus Lego vor. Das Haus ist die Gemeinde, jeder Baustein ein Kind Gottes. Fehlt ein Stein, hat das Haus ein Loch, es zieht, regnet rein, Einbrecher können kommen. Fehlen mehrere Steine, ist am Ende die Stabilität des ganzen Hauses gefährdet. Wir miteinander sind wichtig und unersetzlich, jeder Stein hat seinen Platz, er wird getragen und trägt andere, er hat seine Aufgabe, die allen dient.
  • Auf Wachstum angelegt: Das Haus ist auf dieser Erde niemals fertig, immer wird aus- und angebaut. Anbauten verändern und fordern heraus, die Heizung muss nachjustiert werden, Leitungen müssen neu verlegt werden, Möbel verrückt werden. So ist es, wenn Neue zur Gemeinde Jesu dazu stoßen. Sie halten alle in Bewegung und schenken neue Möglichkeiten.

Der Heilige Geist will eingeladen werden

In unserem Gesangbuch befindet sich eine ganze Rubrik mit Liedern zum Pfingstfest. Nahezu alle Lieder sind Bitten, dass Gott seinen Geist schicken möge, dass der Heilige Geist das Vertrauen zu Jesus wieder neu entfacht, dass aus der Sparflamme ein kraftvolles Feuer werden kann.

Unsere Zweifel werden nicht mit einem Mal weg sein, die Ängste immer noch in der Seele ihr Unwesen treiben, Müdigkeit wird uns immer wieder befallen. Aber der Heilige Geist hat die Kraft, das Vertrauen zu Gott zu stärken. Er bewirkt, dass wir Zeichen vom Himmel wahrnehmen, Menschen uns Zuspruch geben, Berge bezwingbar werden. Er schließt uns an Gottes Möglichkeiten an, die alles übersteigen, was wir uns vorstellen können.

Das Pfingstfest ist ein Bitt-Fest, dass unsere Züge wieder fahren, die Therme nicht auf Sparflamme weiterbrennt, sondern mit Stufe 3 Fahrt aufnimmt. Wir brauchen diese Kraft aus dem Himmel, sonst bleiben wir unter unseren Möglichkeiten. 

Pfingsten, volle Kraft voraus in eine spannende Zukunft.

Cornelia Trick


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