Gottesdienst am 24.3.2019
in Brombach
Liebe Gemeinde,
eine sehr anrührende
Begegnung aus dem Leben Jesu lässt mich in diesen Tagen nicht los.
Ich könnte selbst darin vorkommen, aber zuerst die Vorgeschichte (Markus
10,13-16).
In Jesu Armen
Jesus ist mit seinen Nachfolgern
unterwegs nach Jerusalem. Es ist wohl Mittagszeit, die Sonne stach vom
Himmel, und die Gruppe rastete an einem schattigen Plätzchen. Einige
Mütter mit ihren kleinen Kindern bekamen das wohl mit und kamen, um
von Jesus einen besonderen Segen für ihre Kinder zu bekommen. Doch
die Jünger verscheuchten sie, vielleicht wollten sie in ihrer Mittagspause
nicht gestört werden, vielleicht hatten sie auch das Wohl Jesu im
Blick, dass er sich ausruhen sollte. Jedenfalls wurde nun Jesus aktiv,
ließ die Mütter zu sich rufen und segnete ihre Kinder.
Auf vielen Bildern ist
diese Szene festgehalten, Jesus umgeben von Kindern und ihren Eltern, die
Jünger etwas im Abseits. Es ist eben nicht nur eine Geschichte auf
dem Weg Jesu ans Kreuz, sondern hat Bedeutung weit über eine Kindersegnung
hinaus. Die Szene stellt mir Fragen:
-
Wer hat mich zu Jesus gebracht?
Meine Eltern, Lehrer, Freunde, Partnerin oder Partner?
-
Habe ich mir den Weg zu Jesus
selbst gebahnt, weil ich mich nach einer Berührung Gottes sehnte?
-
Wo befinde ich mich in dieser
Szene – bei den Zuschauern, den Jüngern, den Eltern oder Kindern?
-
Wenn ich Zuschauer bin, was
hält mich ab, näher zu kommen?
-
Was erlebt ein „geherztes
Kind“?
Die Erfahrung, von Jesus gesegnet
zu sein, seine Liebe zugesprochen zu bekommen und sie auch zu spüren,
ist nicht nur eine Momentaufnahme in einer Mittagspause am Weg, sondern
bleibt. Ich bin angesehen, habe Wert und Würde, egal, wie es mir geht
und wie aktiv ich im Leben stehe. Ich darf immer wiederkommen zu dieser
Quelle der Liebe und mich vergewissern, dass Gott bei mir ist.
Die nächste Station
auf dem Weg Jesu setzt die Erfahrung der Mittagspause fort, aber stellt
die Idylle gleichzeitig infrage.
Markus 10,17-22
Jesus machte sich wieder
auf den Weg. Da kam ein Mann angelaufen. Er fiel vor ihm auf die Knie und
fragte ihn: »Guter Lehrer, was soll ich tun, damit ich das ewige
Leben bekomme?« Jesus antwortete ihm: »Warum nennst du mich
gut? Niemand ist gut außer einem: Gott. Du kennst doch die Gebote:
›Du sollst nicht töten. Du sollst die Ehe nicht brechen. Du sollst
nicht stehlen. Du sollst keine falschen Aussagen machen. Du sollst nicht
betrügen. Ehre deinen Vater und deine Mutter.‹« Aber der Mann
sagte: »Lehrer, das alles befolge ich seit meiner Jugend.«
Jesus sah ihn an. Er gewann ihn lieb und sagte zu ihm: »Eins fehlt
dir: Geh los. Verkaufe alles, was du hast, und gib das Geld den Armen.
So wirst du unverlierbaren Reichtum im Himmel haben. Dann komm und folge
mir!« Der Mann war unglücklich über das, was Jesus sagte,
und er ging traurig weg. Denn er hatte großen Grundbesitz.
Ein Mann in der Zuschauerposition
Noch vor Augen habe ich
das schattige Plätzchen, Jesus, umringt von Menschen, die von ihm
angesehen, berührt, gesegnet werden.
Nun kommt ein Mann zu Jesus.
Er ist einer, der Gott kennt, also eigentlich einer, der Gottes Segen selbst
empfangen hat, von Gott längst berührt wurde. Er lebt, wie Gott
es erwartet. Er handelt verantwortlich, immer mit Blick auf seine Nächsten.
Er hinterzieht keine Steuern, führt ein intaktes Familienleben, wäre
heute ein guter Kirchgänger und könnte ein einwandfreies polizeiliches
Führungszeugnis vorweisen. Ihn beschäftigt, ob all seine guten
Taten und Eigenschaften reichen, um in den Himmel zu kommen.
Hier lohnt noch einmal
der Blick zurück zu Jesus inmitten der Kinder. Dort vermittelte Jesus,
dass die Kinder bei Gott willkommen sind ganz ohne Taten, Verdienste und
Treuepunkte. Er gab den Kindern zu verstehen, wenn sie bei Jesus waren,
gehörten sie zu Gott. Es reichte für die Ewigkeit, von Jesus
umarmt zu werden.
Jesus, so hören wir,
gewann den Mann lieb. Auch ihn wollte er berühren, auch ihm die Sicherheit
geben. Wenn er bei Jesus blieb, dann gehörte er zu Gott, in diesem
Leben und in Ewigkeit.
Nun spricht Jesus ihn auf
seinen Besitz an. Er war wohl ein Mann mit Grundbesitz, unabhängig
und nicht angewiesen auf die Hilfe anderer. Heute wäre er vielleicht
ein Hausbesitzer im Frankfurter Westend, keiner kann ihm kündigen,
und die Mieteinnahmen seiner Wohnungen sichern ihm ein gutes Leben.
Jesus trifft ihn mitten
ins Herz. Er fordert ihn auf, seine Sicherheit aufzugeben. Nicht die Immobilien
werden ihm den Weg in den Himmel freimachen, sondern die Hand Jesu. Solange
dieser Mann seine Immobilien festhält, hat er die Hände nicht
für Jesus frei, kann nicht erfahren, wie Jesus ihn trägt, führt,
stützt und ihm hilft. Jesus lädt diesen Mann ein, seinen Zuschauerplatz
aufzugeben und sich selbst unter seine segnenden Hände zu begeben.
Nur so wird er merken, was Gott eigentlich von ihm will, wo seine Lebensreise
hingeht.
Der Mann konnte zu diesem
Zeitpunkt nicht loslassen. Er ging traurig davon, doch seine Sehnsucht
wird geblieben sein. Vielleicht hat er sich später umgewandt und ist
doch noch zu Jesus zurückgekehrt, es wäre ein guter Schluss der
Geschichte.
Der reiche Mann und wir
Der reiche Mann war ein
Gläubiger, in seine Schuhe kann ich mich stellen und mir vorstellen,
ich würde Jesus begegnen. Meine Frage reicht eher nicht so weit, dass
ich mich um die Ewigkeit sorge, denn eigentlich bin ich gewiss, dass Gott
mich am Ende meines Lebens auffängt in ein neues Leben. Mich beschäftigen
andere Fragen, die ich Jesus gerne zu meinem Leben stellen würde:
-
Freut sich Jesus über
meine Lebensgestaltung?
-
Hat sich Jesus mein Leben
so vorgestellt?
-
Als ich bei ihm saß
und er mich segnete, habe ich seinen Impuls begriffen?
Wo würde Jesus mich direkt
ins Herz treffen? Mir fallen da einige Punkte ein.
-
Ich bin nachtragend. Ich weiß,
dass Jesus von mir erwartet, anderen zu vergeben, wie er mir vergeben hat.
Aber es fällt mir schwer, die Verletzungen wirklich loszulassen und
zu vergessen. Sie kommen so leicht wieder hoch, genauso wie meine Schuldgefühle,
die mich verfolgen. Jesus könnte zu mir sagen: Lass deine Verletzungen
und deine Schuld wirklich und endgültig los!
-
Ich habe gerne die Kontrolle.
Ich mache Pläne und werde höchst unruhig, wenn ich sie nicht
umsetzen kann. Wenn ein paar Stunden anders als geplant verlaufen, denke
ich, meine Arbeit nicht schaffen zu können. Als ob Gott mich bräuchte,
um seine Welt zu retten. Er kann das bestens ohne mich. Er kann aus Steinen
Kinder zum Leben erwecken, da kann er auch mit halber Zeit meine Arbeiten
gelingen lassen. Jesus könnte mir sagen: Lass deine zwanghaften Pläne
los, ich bin da und fange dich auf, wann immer du das Gefühl hast
zu fallen.
-
Ich bin gerne unabhängig.
Lieber trage ich andere, als dass ich selbst getragen werde. Lieber schneide
ich selbst Vorlagen aus, als andere zu bitten, es zu tun. Ich will niemand
zur Last fallen. Doch Jesus führt mir immer wieder vor Augen, dass
ich seine Kraft nur spüre, wenn ich abhängig werde, mich von
ihm anhängig mache. Ein vollgetanktes Auto braucht kein Benzin oder
Strom, doch kurz vor dem Ende der Reserve kommt Jesus ins Spiel und zeigt
mir, dass seine Kraft mich hält und ich ihm vertrauen kann.
-
Ich sammle gerne Treuepunkte.
Ein guter Tag ist ein Tag, an dem ich was weggeschafft habe. Ein schlechter
Tag ist einer, an dem ich mich fremdbestimmt fühlte und verzettelt
habe. Doch Jesus zeigt mir genau an diesen Tagen: Jesus braucht meine Treuepunkte
nicht. Er liebt mich in guten und schlechten Tagen, mit viel auf dem Konto
und mit wenig. Er ist für mich da, das ist genug.
Die Liste der Schwachstellen,
auf die Jesus seinen Blick richten könnte, ließe sich ja noch
fortsetzen, jede und jeder kann sicher ein paar Punkte beitragen. Denn
auch das Gegenteil der erwähnten Haltungen kann problematisch werden
– keine Verantwortung übernehmen, keinen Plan haben und sich immer
auf andere verlassen – auch da könnte Jesus sicher Manches dazu sagen.
Doch ich will keine Listen
zum Ankreuzen erstellen, sondern es ernstnehmen, dass Jesus mich mit dem
Mann auf dem Weg meint und mir ins Herz schaut.
Markus 10,23-27
Jesus sah seine Jünger
an und sagte: »Wie schwer ist es doch für die Menschen, die
viel besitzen, in das Reich Gottes hineinzukommen.« Die Jünger
waren bestürzt über seine Worte. Aber Jesus sagte noch einmal
zu ihnen: »Ja, Kinder, wie schwer ist es doch, in das Reich Gottes
zu kommen. Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht,
als dass ein Reicher in das Reich Gottes hineinkommt.« Da waren die
Jünger völlig bestürzt und sagten zueinander: »Wer
kann dann überhaupt gerettet werden?« Jesus sah sie an und sagte:
»Für Menschen ist es unmöglich, aber nicht für Gott.
Denn für Gott ist alles möglich.«
Die Zugabe für die
Jünger
Klar, dass die Jünger
unruhig wurden. Sie hatten zwar keinen Grundbesitz, aber auch sie fühlten
sich direkt gemeint. Schwachstellen hatten auch sie, Petrus zum Beispiel
überschätzte sich regelmäßig und nahm den Mund zu
voll. So hatte jeder irgendetwas, das ihn daran hinderte, Gott ganz zu
vertrauen. Wie sollte dann überhaupt irgendjemand vor Gott bestehen
können?
Jesus macht ihnen deutlich,
dass das aus eigener Kraft niemand kann, er gebraucht dafür ein Bild:
Kein Kamel kommt durch ein Nadelöhr, nicht mal ein kleines Kuschelkamel.
So hielten die Jünger an ihren Schwachstellen genauso fest, wie wir
es tun. Selbst wenn wir sie erkannt haben, heißt das noch lange nicht,
dass wir uns wirklich verändern, leicht vergeben, leicht Kontrolle
abgeben, leicht unsere Pläne über den Haufen werfen lassen, leicht
darauf vertrauen, dass Jesus uns liebt ohne wenn und aber. Und ganz besonders
die finanzielle Unabhängigkeit gaukelt vor, dass wir uns selbst helfen
können und Gott nicht brauchen.
Doch es gibt eine Lösung.
Alle, die sich von Jesus umarmen, herzen und segnen lassen, die in Verbindung
zu ihm leben, werden von ihm durchs Nadelöhr gezogen. Er geht den
Weg durch das Nadelöhr, den Tod, voraus und zieht uns mit zum Vater.
Der reiche Mann ließ
das nicht zu, wir können es besser machen und Jesus um Hilfe bitten,
dass wir wie Kinder ihm alles zutrauen und die Hände frei bekommen
für ihn.
Cornelia
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