Störgeräusche in der Gemeinde (Apostelgeschichte 6,1-7)
Gottesdienst am 14.09.2014 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
unterwegs zur Bläserprobe in Mittelhessen hörten wir plötzlich ein merkwürdiges Störgeräusch beim Fahren.  Unser Chauffeur hatte das Auto gerade eine Woche und war äußerst irritiert, als er auch beim Gasgeben einen Unterschied merkte. Nun leuchtete auch noch eine Warnlampe auf, die aussagte: Suchen Sie baldmöglichst eine Werkstatt auf! Es war Sonntagmittag irgendwo auf dem Land, von einer Werkstatt nichts zu sehen. Also riefen wir den ADAC an, was eine faszinierende Begegnung mit einem sehr engagierten „gelben Engel“ wurde, der eine Zündspule austauschte und uns mit einiger Verspätung doch noch bei der Bläserprobe ankommen ließ. 

Nicht nur vom Autofahren kennen wir das ja. Alles läuft recht entspannt, der Weg scheint eben zu sein, und plötzlich gibt es eine Störung. Wir sollten sie nicht ignorieren, sonst droht großer Schaden. Wir müssen ihr nachgehen und schnellstmöglich Abhilfe schaffen. 

Es ist Jubiläumsmonat in Brombach. Die Gemeinde ist sozusagen unser Thema, deshalb wollen wir nicht nur 150 Jahre zurückblicken, sondern in die Anfänge der christlichen Gemeinde eintauchen. In der Urgemeinde lässt sich Grundsätzliches beobachten und lernen.

Entstanden ist die Urgemeinde zu Pfingsten. Viele sind dazugekommen, der Hunger nach einem Leben, das Sinn macht, nach Heiligem Geist und nach einem Wort Gottes, das festhält, ließ Menschen dazukommen. Die Gemeinde feierte nicht nur fröhliche Gottesdienste, sondern man setzte sich auch sozial füreinander ein, jeder gab und nahm entsprechend seinen Möglichkeiten und Bedürfnissen. Von außen wurde die Gemeinde angefeindet, ihre Führenden wurden verhaftet, doch durch Gottes Eingreifen wieder befreit. Da sie merkten, diese Jesus-Nachfolger nicht einschüchtern zu können, einigten sich die politisch Einflussreichen auf den Rat des Gamaliel: Ist diese Gruppierung gegen Gottes Willen, wird sie so oder so untergehen. Ist sie von Gott, wird sie bestehen bleiben.
Scheinbar kehrte Ruhe in die Gemeinde ein, der Druck von außen ließ kurzzeitig nach. Doch in dieser Ruhe wurden neue Störgeräusche lauter:

Apostelgeschichte 6,1-7

In diesen Tagen aber, als die Zahl der Jünger zunahm, erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen, weil ihre Witwen übersehen wurden bei der täglichen Versorgung. Da riefen die Zwölf die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir für die Mahlzeiten sorgen und darüber das Wort Gottes vernachlässigen. Darum, ihr lieben Brüder, seht euch um nach sieben Männern in eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Heiligen Geistes und Weisheit sind, die wir bestellen wollen zu diesem Dienst. Wir aber wollen ganz beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben. Und die Rede gefiel der ganzen Menge gut; und sie wählten Stephanus, einen Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, und Philippus und Prochorus und Nikanor und Timon und Parmenas und Nikolaus, den Judengenossen aus Antiochia. Diese Männer stellten sie vor die Apostel; die beteten und legten die Hände auf sie. Und das Wort Gottes breitete sich aus und die Zahl der Jünger wurde sehr groß in Jerusalem. Es wurden auch viele Priester dem Glauben gehorsam.

Die Gemeinde wird größer, dabei werden die Einzelnen leicht übersehen. Hier bricht ein Konflikt zwischen Juden aus Israel und Juden aus dem Umfeld, zwischen arm und reich auf. Dieser Konflikt steht in radikalem Gegensatz zum Gemeindeideal Jesu, dass sich alle am Tisch des Herrn versammeln und einer der anderen dient, für den anderen aus Liebe das Beste will.

Die aus der griechischen Diaspora stammenden Witwen murren nicht selbst, sondern andere Griechisch-Sprechende bringen ihren Ärger stellvertretend zum Ausdruck. Sie lösen buchstäblich Alarm aus, denn das Wort der Apostel von Gott wird wertlos, wenn ihm keine Tat folgt. Von der Liebe Gottes zu predigen und die Armen hungrig nach Hause gehen zu lassen, passt nicht zusammen. Die Apostel erkennen offensichtlich ihre Begrenzung. Bei den vielen Menschen und Aufgaben können sie sich als 12-er Gremium nicht um alles kümmern. Sie sehen ihre Berufung zur Wortverkündigung, für die Tafeldienste müssen andere gefunden werden. Gesucht werden nun Mitarbeiter, die geistliche Befähigung, einen guten Ruf haben, voll von Heiligem Geist sind und Weisheit haben. Sie werden aus der Gruppe der Griechisch-Stämmigen ausgewählt, davon zeugen ihre Namen, die uns überliefert sind. Sie sind den griechischen Witwen nahe und gute Verbindungsleute zur israelischen Gemeinde. Sie werden die griechischen Armen nicht übersehen, weil ihr Herz bei ihnen ist.

Die Apostel legen ihnen die Hände auf, um sie im Namen Gottes zu bevollmächtigen. Sie sind nicht einfach Küchenpersonal oder Organisationsteam, sondern geistliche Mitarbeiter, die genau wie die Apostel von Gott berufen sind, die Liebe Gottes – eben durch Essensverteilung – weiterzugeben.

Die Gemeinde kann nun wieder ungestört wachsen, und sogar Priester kommen dazu.

Der Konflikt wird sehr sachlich beschrieben, doch zwischen den Zeilen steckt der Zündstoff. Man kann sich vorstellen, wie Fragen umherschwirrten: Warum werde ich übersehen? Weil ich arm, allein, ohne Mann und Lobby bin, oder weil ich eine Frau bin? Wie können die Apostel von Jesus erzählen und so mit mir umgehen? Haben die nicht verstanden, was Jesus will?

Und auf der anderen Seite: Warum murren ein paar griechischen Witwen gleich? Hätten sie nicht mithelfen können, dass jeder was bekommt? Gibt es nicht Wichtigeres im Reich Gottes als den Dienst bei der Tafel?

Der Konflikt der Urgemeinde zeigt, 

  • aus kleinen Anlässen entsteht Unzufriedenheit und Murren,
  • alles wird gleich grundsätzlich hinterfragt,
  • die anderen sind schuld.
Hier ist man über das Murren nicht einfach hinweggegangen. Man spürte, dass die Gemeinde verunsichert wurde, die Glaubwürdigkeit schwand, die Fronten sich von Tag zu Tag mehr verhärteten und letztlich nur noch die Trennung bleiben würde.

Problembewusstsein

Dies gilt auch für uns. Nehmen wir Störgeräusche wahr, ist es wichtig, die Grenzen zu erkennen. Wir müssen uns eingestehen, wir haben nicht alles im Griff, einzelne haben nicht alles unter Kontrolle, es gibt Probleme, die nicht auf Anhieb zu beheben sind. Nicht einer oder eine hat für alles eine Lösung, sondern den Gaben in der Gemeinde gemäß ist ein Miteinander nötig. Es wird nicht gewertet, welcher Dienst besser oder geistlicher ist. Wer Kaffee kocht und Kuchen backt, kann die gleiche Berufung wie die Predigerin haben. Wer den Boden putzt, ist nicht weniger wert als der, der virtuos Posaune spielt. Das ganze Spektrum, das eine Gemeinde an Aufgaben zu bieten hat, braucht Menschen, die von Gott gerufen sind und von ihm geistliche Kraft und Befähigung bekommen.

Mitarbeitergewinnung

Interessant ist auch, dass die Apostel die ganze Gemeinde baten, fähige Leute für die Armenspeisung zu suchen: „Seht euch um!“ Nicht nur ein Vorschlagsausschuss war mit dieser Aufgabe betraut. Auswahlkriterien waren ein guter Ruf, Heiliger Geist und Weisheit, also Grundlagen und Motivationsquelle für die Aufgaben. Was bedeutet das konkret?

Ein guter Ruf erfolgt, wenn die persönlichen Angelegenheiten geklärt und in Ordnung sind. Die Person ist bereit, anderen zu vergeben und selbst um Vergebung zu bitten. Die Person ist glaubwürdig in dem, was sie lebt und sagt, und hat ein offenes Fenster ins Privatleben. Sie lebt keine Doppelmoral und ist auch alltags als Christ erkennbar.

Der Heilige Geist ist der Person abzuspüren, sie weiß sich von Gott geliebt auch in schwierigen Situationen, vertraut auf Gottes Wirken und wächst in ihrem Glauben.

Die Person ist weise, weil sie den Glauben im Alltag anwenden kann und Frucht hat. Andere fühlen sich durch sie getröstet, ermutigt, getragen, umbetet, verstanden, angeleitet.

Die so Ausgewählten werden von der Gemeinde gewählt. Wir assoziieren mit einer Wahl ja eher eine Auswahl, wir wollen Alternativen haben. Von dieser Wahl wird nicht berichtet, dass mehr Kandidaten zur Verfügung standen, als gewählt werden sollten, oder dass vorher ein Wahlkampf geführt wurde. Die Wahl drückt vielmehr aus, dass die Gemeinde diese Männer bestätigt und sie liebevoll begleiten wird. Sie werden gewählt, weil die Gemeinde ihnen vertraut und ihnen eine wichtige Aufgabe anvertraut, sie wird diese Diakone im Gebet weiter begleiten und sie in ihrem Dienst unterstützen.

Was wir von der Gemeinde in Jerusalem lernen können

  • Gemeinde ist auf Wachstum angelegt. Wir wollen auch für die beten, die noch nicht da sind, aber die Gott zu unserer Gemeinde dazutun will.
  • Auf Störgeräusche sollten wir reagieren, sonst wird das Wachstum stoppen.
  • Die Gemeinde braucht jeden und jede, wir können es uns nicht leisten, jemand zu übersehen.
  • Wer murrt bei uns? Wen übersehen wir? Sind es die Kinder, die nicht regelmäßig jeden Sonntag kommen und deshalb so leicht aus unserem Bewusstsein rücken? Sind es die Neuen, die keine Großfamilie hier haben, die gerne auch mal bei jemand ein Stück Kuchen essen würden, aber keinen selbstverständlichen Zugang zu den Alteingessenen haben? Zu wem ruft mich Jesus ganz konkret? Und wer scheint mir für die unterschiedlichen Aufgaben geeignet, nach wem kann ich mich umsehen?
Die Kriterien für Mitarbeitende sind heute so aktuell wie damals. Als langjährige Mitarbeitende haben wir vielleicht mal eine Inspektion nötig. Wie steht es um unsere Berufung? Haben wir Gewissheit, dass Gott uns nahe ist? Kommt unser Dienst bei denen an, denen wir dienen wollen?

Wir sind dankbar für jeden und jede, die für uns mitarbeitet. Das verpflichtet uns zu Fürbitte und Ermutigung. 

Störgeräusche ärgern uns sehr, wir wollen sie nicht. Doch bei den Jerusalemern können wir entdecken, dass sie letztlich weiterhelfen. Die Gemeinde dort wuchs. Unsere Störgeräusche können uns auch weiterbringen, vertrauen wir auf Gottes Reden, Berufen und seine Vollmacht, die er denen geben möge, die er ruft.

Cornelia Trick


Home


Verantwortlich Dr. Ulrich Trick, Email: ulrich@trick-online.de
Internet-Adresse: http://www.predigt-online.de/prewo/prewo_stoergeraeusche_in_der_gemeinde.htm