Unser tägliches Brot gib uns heute (Matthäus 6,11)
Gottesdienst am 1.10.2017 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
letzte Woche fuhr ich hinter einem Lieferwagen her mit der Aufschrift: „Müller Usingen“. Diesen Müller kannte ich noch nicht, aber wieder einmal ging mir durch den Kopf, wie unsere Landschaft hier mit dem Handwerk des Müllers, Getreide, Mühlen und Brot verbunden ist. Ich stelle mir vor, wie man hier im Taunus vor 150 Jahren Erntedank gefeiert hatte. Voller Dankbarkeit für genug Getreide, das die Familien durch den Winter brachte, wurde der Erntedanktisch mit Ähren, Korn und Broten reich geschmückt. 

Unser Deko-Team stellt heute auch das Brot in den Mittelpunkt und erinnert uns damit auch an unsere regionale Herkunft. Deshalb haben wir als Überschrift über unseren Erntedank-Gottesdienst die Bitte des Vaterunsers herausgegriffen:

Matthäus 6,11
Unser tägliches Brot gib uns heute.

Das Vaterunser-Gebet, das Jesus seinen Jüngern und Nachfolgern gegeben hatte, sollte wie eine Malvorlage für das persönliche Gebet sein. Die Worte Jesu gaben die Rahmen-Linien vor:

  • die Bitte um Gottes Gegenwart
  • die Bitte um das tägliche Auskommen
  • die Bitte um Vergebung und Freiheit.
Ausmalen müssen wir nun die Linien selbst, um sie auf uns ganz konkret zu beziehen und dem Gebet Farbe zu geben.

Die Bitte um das Brot ist die einzige Bitte, die Materielles zum Thema hat. Im Brot ist alles zusammengefasst, das Lebensgrundlage ist. Ganz wörtlich heißt es: „Das Brot für morgen gib uns heute!“ Zurzeit Jesu gab es keine Supermärkte und kein lang haltbares Brot in Plastiktüten. Man nahm die Zutaten für den Sauerteig und ließ den gekneteten Sauerteig über Nacht gären. Am nächsten Tag ließ sich aus dem durchgegorenen Teig ein Brot backen. So hieß die Vaterunser-Bitte ganz praktisch:

  • Heute gib uns die Zutaten für den Sauerteig, damit wir ihn kneten und er über Nacht gären kann,
  • morgen können wir davon Brot backen und es essen.
Die Grundbedürfnisse der damaligen Zeit waren sinnvoll mit Brot zusammengefasst. Wer genug Brot hatte, der konnte zumindest sicher überleben. Selbstverständlich war das nicht. In den ersten christlichen Gemeinden waren mehr Arme als Reiche, die Ernten waren instabil, die römischen Besatzungstruppen beanspruchten eine Menge Korn für ihre Versorgung, Hungersnöte waren an der Tagesordnung.

Unsere Realität heute und hier unterscheidet sich deutlich von damals, doch gibt es auch bei uns Menschen, denen es am Allernötigsten fehlt, hier ganz nahe bei uns, aber auch in der Welt, wie wir nach Wirbelstürmen, Erdbebenkatastrophen und Bürgerkriegen so deutlich vor Augen gestellt bekommen.

Brot steht aber auch für eine Arbeit, von der man leben kann, für eine Wohnung, die Zufluchtsort ist, für Lebensumstände, die fördern, und genug Geld, um den Alltag zu meistern. Brot steht damit für unsere ganze Existenz, so wie wir sind, bedürftig, hungrig und abhängig.

Diese kurze Bitte um das Brot zeigt vier Aspekte:

1 Die Bitte richtet sich an Gott, den Vater
Wir sprechen mit dieser Bitte nicht bei einem unpersönlichen Versorgungsamt vor, füllen keine Anträge und Vordrucke aus, die wir online verschicken können, sondern wir reden hier mit Gott, der uns so nahe kommt, wie es nur Vater und Mutter können. Die Eltern wissen normalerweise um die Bedürftigkeit ihrer Kinder, so will uns Gott begegnen. Als der, der uns kennt, der uns geben will, was wir brauchen, damit wir wachsen können.

Es liegt in seinem ureigensten Interesse, dass es uns gut geht. So wird unsere Bitte auf offene Ohren stoßen. Vielleicht fragt jemand, warum man Gott überhaupt darauf stoßen muss, dass Brot fehlt, weiß er nicht sowieso, was wir brauchen? Ja, Gott weiß wohl, wenn wir hungrig sind. Doch noch wichtiger, als uns mit Brot glücklich zu machen, ist ihm, mit uns ins Gespräch zu kommen. Die Bitte um Brot ist ein Anknüpfungspunkt für ihn, dass wir zu ihm kommen und ihn immer besser kennenlernen.

2 Bitte um die Zutaten für das Brot morgen
Der Vater im Himmel lässt nicht fertige Brote vom Himmel regnen, die wir nur noch auflesen müssen wie das Volk Israel in der Wüste das Manna am Morgen. Gebeten wird um Zutaten, aus denen ein Brot werden kann. 

Ich hätte gerne, dass Gott mir als Antwort auf eine Bitte die fertige Lösung schenkt. Ich bete um einen Mitarbeiter in der Kinderarbeit, und Gott stellt ihn mir fertig ausgebildet am nächsten Sonntag nach dem Gottesdienst vor: Hier ist dein Mitarbeiter, der ab November jeden Sonntag die Kirchenkinder leiten wird. So läuft es ja meistens nicht. Gott gibt Körner, er gibt Sauerteig und Wasser, aber er erwartet, dass ich etwas aus seinen Zutaten mache, dass ich den Sauerteig unter das Mehl knete und Geduld habe, dass der Teig geht. Gott schenkt uns Menschen in der Gemeinde, aber es ist unsere Aufgabe, uns mit ihnen auf den Weg zu machen, sie zu fördern und ihnen zu helfen, ihren Platz zu finden.

Die britische Methodistenkirche hatte vor Jahren den Ruf Gottes gehört, sich auf neue  Wege einzulassen, um Menschen mit dem Evangelium zu erreichen. Sie stellten eine Pastorin für ein Jahr frei, um in der Industriestadt Manchester nach Wegen zu suchen, Menschen die Liebe Gottes unkonventionell weiterzugeben. Die Frau ging nun ein Jahr durch die Straßen der Stadt und sah, hörte, fragte, und sie bekam von Gott eine Antwort. Sie begann, eine Backstube zu betreiben, Leute von der Straße wurden eingeladen mitzumachen, beim Backen entstanden Gespräche über Gott und die Welt, ein Gebetskreis entwickelte sich, Bibelgespräche fanden in der Bäckerei statt.

Sicher – einfacher wäre es gewesen, Gott hätte der Pastorin 50 lebendige Christen geschickt, und sie hätten ohne Bäckerei eine funktionierende Gemeinde gebaut. Aber Gott beliefert nicht mit Fertigbrot, sondern erwartet unsere Kreativität, unsere Hände und unsere Herzen.

3 Brot ist Gottes Gabe
Gott gibt das Brot und bindet uns damit an sich. Er will, dass wir ihm vertrauen, und er will, dass wir von seiner Gabe weitergeben. In früheren Zeiten wurde der Erntedanktisch anschließend an Bedürftige verteilt. Man legte seine besten Kartoffeln und Äpfel, glänzend poliert, auf den Abendmahlstisch. Man nahm sie anschließend nicht wieder mit nach Hause, sondern ließ sie liegen in Gottes Haus. Gott wollte auch andere damit glücklich machen, die am nächsten Tag davon bekamen.

Eigentlich weiß das ja jeder Christ. Wir bekommen von Gott so viel Liebe, dass wir locker davon weitergeben können, ohne dass uns jemals etwas fehlen wird.

Konkret kann das bedeuten:

  • Unerwartet hat jemand einen größeren Geldbetrag bekommen. Er verbraucht ihn nicht nur für sich selbst oder legt ihn auf die hohe Kante, sondern unterstützt ein Projekt, um Menschen zu helfen.
  • Eine ist handwerklich sehr begabt. Sie renoviert nicht nur ihr eigenes Haus, sondern bringt sich in Arbeitseinsätze ihrer Kirchengemeinde ein.
  • Eine kocht leidenschaftlich gerne. Sie kocht nicht nur für die eigene Großfamilie, sondern lädt Ältere zu sich ein, die sich über einen gedeckten Tisch und Ansprache freuen.
  • Einer ist Musiker und gibt Flüchtlingskindern kostenlosen Musikunterricht. 
Die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Was wir von Gott bekommen, ist nicht nur für uns selbst bestimmt, sondern drängt zu unseren Mitmenschen, wie schön, wenn wir weitergeben können.

4 Wir bitten
Die Brotbitte wird von mehreren gesprochen, „unser Brot gib uns“. Die Gemeinde steht in der Brotbitte solidarisch zusammen. Die Not des Einen ist die Not der Anderen. In der Gemeinde betet man füreinander und hilft sich ganz praktisch. Das Brot reicht, weil es verteilt wird. Und es sind wie bei Jesu Wunder immer noch 12 Körbe übrig, die weiter gereicht werden. „Brot für die Welt“, so heißt eine große christliche Hilfsorganisation, die weltweit tätig ist und diese Wahrheit in ihrem Namen aufnimmt.

Heute wird im Anschluss an den Gottesdienst das Brot auf dem Abendmahlstisch versteigert. Warum nicht mal Brot ersteigern und es nicht selbst aufessen, sondern einem Anderen schenken? Dem, der jetzt neben mir sitzt, meinem Nachbarn, dem, den ich heute Nachmittag besuche? Ein Gruß von Gott – der nicht im Bücherregal verstaubt, sondern dessen Liebe durch den Magen geht.

Jesus, der uns diese Bitte in den Mund legt wie ein Ausmalbild, dem wir unsere persönliche Farbe geben, sagt uns zu: Wir werden nicht hungern und dürsten, wenn wir mit ihm unterwegs sind, er gibt uns mehr, als wir täglich brauchen. Ihm können wir vertrauen, denn Gott will das Beste für uns.

Cornelia Trick


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