Unter offenem Himmel leben (1.Mose 28,10-22)
Gottesdienst am 13.07.2014 in Brombach

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
heute ist unser letzter Sonntag in der Reihe „Unser Auftrag als Gemeinde“. Mit Gottvertrauen bezeichneten wir unser Fundament. Gottvertrauen macht uns frei, anderen Nächste zu werden.  Auf unserem Weg bleiben wir lernfähig unser Leben lang. Heute wird uns die Frage beschäftigen, wozu wir eigentlich andere in unsere Gemeinde einladen. Worum geht es uns hier?

Dazu hilft es, wenn wir in die Geschichte Israels eintauchen und eine Lebensgeschichte genauer betrachten. Sie lässt anschaulich werden, warum wir hier sind und dass dieser Ort Gemeinde jedem Menschen wichtig werden kann.

Jakob, der Enkel Abrahams, Sohn Isaaks und Bruder Esaus, ist im absoluten Tief gelandet. Die Bibel schildert ihn als einen ungeduldigen, listigen jungen Mann, der seinen Lebensweg selbst in die Hand nehmen wollte und nicht darauf wartete, dass Gott seine Verheißungen an ihm erfüllte. So hatte er sich den Erstgeburtssegen von seinem Vater erschlichen. Der Schwindel flog auf, und er musste vor seinem Bruder fliehen. Die Türen des Elternhauses waren zu, da konnte er nicht zurück. Ein Erbe hatte er nach dieser Geschichte nicht zu erwarten, und die Zukunft lag völlig ungewiss vor ihm. Müde von der Flucht legte er sich in freier Natur zum Schlafen nieder, lediglich ein paar Steine schützten seinen Kopf.

Sicher sind wir nicht Jakob. Wir tragen wohl eher keine tragende Rolle in der Geschichte Gottes mit seinen Menschen. Und doch – die biblischen Geschichten sind nicht nur Zeugnisse aus längst vergangenen Zeiten, sondern sind wie ein Kostüm, in das wir hineinschlüpfen können, um unsere Rolle zu finden und mitzuspielen. Schulderfahrungen, Beziehungskrisen, Zerwürfnisse, Ohnmachtserfahrungen, Krankheit, Tod und Trauer können uns genau wie Jakob damals in die Tiefe führen. Türen sind hinter uns geschlossen, was vor uns liegt, ist unbekannt, allein sind wir unterwegs und sehnen uns nach jemand, der uns beisteht.

Auch wenn wir gerade selbst nicht in einer solchen Situation stehen, wird es Menschen geben, die uns nahestehen und die wir ein Stück begleiten können.

1.Mose 28,10-15

Jakob machte sich auf den Weg von Beerscheba nach Haran. Er kam an einen Platz und übernachtete dort, weil die Sonne gerade untergegangen war. Hinter seinen Kopf legte er einen der großen Steine, die dort umherlagen. Während er schlief, sah er im Traum eine breite Treppe, die von der Erde bis zum Himmel reichte. Engel stiegen auf ihr zum Himmel hinauf, andere kamen zur Erde herunter. Der HERR selbst stand ganz dicht bei Jakob und sagte zu ihm: »Ich bin der HERR, der Gott deiner Vorfahren Abraham und Isaak. Das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Sie werden so unzählbar sein wie der Staub auf der Erde und sich nach allen Seiten ausbreiten, nach West und Ost, nach Nord und Süd. Am Verhalten zu dir und deinen Nachkommen wird sich für alle Menschen Glück und Segen entscheiden. Ich werde dir beistehen. Ich beschütze dich, wo du auch hingehst, und bringe dich wieder in dieses Land zurück. Ich lasse dich nicht im Stich und tue alles, was ich dir versprochen habe.«

Der offene Himmel

Im Erschöpfungsschlaf bekommt Jakob einen Traum geschenkt. Es ist wohl eindeutig Gottes Geschenk an ihn und keine Aufarbeitung des Unterbewussten, hätte er da doch eher von einer Leiter geträumt, auf der er sich mühsam zu Gott empor gequält hätte. Gott lässt seine Leiter zu ihm herunter, wie wenn eine Leiter aus einer Dachlucke herausgeschoben wird. In dem sehr gegenständlichen Bild steigen Engel hinab und herauf, sie sind die Telefonleitung, die Gott zu Jakob hin verlegt. In dem Kinofilm „Bruce allmächtig“ baut Gott zu Bruce eine Verbindung durch eine unbekannte Telefonnummer auf, die auf Bruce Handy erscheint. So würden wir das Anknüpfen Gottes wohl heute beschreiben. Wichtig ist egal in welchem Bild, dass Gott die Verbindung installiert, wir sie nicht selbst schaffen.

Gott zeigt sich einem Schwindler, der sein Leben an die Wand gefahren hat und nun verloren ist. Er kümmert sich um diese gescheiterte Existenz und spricht ihm zu: Beistand, Schutz, Zurückbringen in die Heimat und Einlösen des Versprechens an ihn, ihn zu einem großen Volk zu machen. 

Engelbrücken erscheinen wieder bei Jesus. Der Adventsengel kündet Maria die Geburt Jesu an, die Weihnachtsengel bringen den Hirten die gute Nachricht, dass der Retter der Welt geboren ist, Osterengel verkünden, der Herr ist auferstanden, und bei Jesu Himmelfahrt sagen sie den zurückbleibenden Jüngern: Er wird wiederkommen. 

Der Himmel ist nicht nur für Jakob geöffnet. Mit Jesus hat ihn Gott für uns alle aufgetan. Er ist nicht fern von uns, sondern sagt uns zu „Ich bin bei euch alle Tage“. Und am Ende der Zeiten wird Jesus uns an die Hand nehmen und in seine neue Welt führen.

Die Verheißung an Jakob ist eine Verheißung an uns heute: Er schenkt uns Fürsorge und Schutz auf unserem Weg. Wir dürfen frei von der Sorge um uns selbst sein. Er steht uns in Versöhnungsprozessen bei,  wie er es damals bei Jakob und Esau tat. Wir müssen nicht vor unserer Schuld und unseren Verletzungen fliehen, sie sind bei Jesus in guten Händen, er ist der, der heilt. Er steht in Not und Entbehrung bei, wenn das Leben ungerecht zu uns ist, wir nicht das bekommen, was wir verdient haben, geduldig sein müssen, wie es die Liebesgeschichte Jakobs so anschaulich werden lässt: um Rahel zu bekommen, hat er sich 14 Jahre gedulden müssen. Jesus gibt uns auch ein Ziel vor, damit wir nicht im Kreisverkehr um die immer gleichen Themen unseres Lebens stehen bleiben. Er wird uns Heimat geben. Die beginnt schon heute und hier in der Gemeinde, wird aber vollendet in Ewigkeit.

Was ist die Verheißung über unserem Leben? Wenn wir jetzt rumfragen, werden einige sicher ihren Taufvers, ihren Konfirmationsspruch oder Trautext zitieren können – Worte, die Kraft geben, die wie eine Überschrift über Wegabschnitte gestellt sind. Manche dieser Sprüche sind aus der Ich-Perspektive formuliert: Ich will Gott loben, ich will gehorsam sein, ich will Gott dienen. Es sind Willensbekundungen, die wir geben. Lassen wir heute Gott zu Wort kommen. Der Segen, den er den Vätern und Müttern Israels gab, gilt auch uns: „Ich will dich segnen, und du sollst ein Segen sein“. Er ist Zuspruch und lässt deutlich werden, durch Gottes Gegenwart verändern wir uns und werden zu einem Segen für andere. Nicht immer automatisch, aber doch immer von ihm initiiert.

1.Mose 28,16-22

Jakob erwachte aus dem Schlaf und rief: »Wahrhaftig, der HERR ist an diesem Ort, und ich wusste es nicht!« Er war ganz erschrocken und sagte: »Man muss sich dieser Stätte in Ehrfurcht nähern. Hier ist wirklich das Haus Gottes, das Tor des Himmels!« Früh am Morgen stand Jakob auf. Den Stein, den er hinter seinen Kopf gelegt hatte, stellte er als Steinmal auf und goss Öl darüber, um ihn zu weihen. Er nannte die Stätte Bet-El (Haus Gottes); vorher hieß der Ort Lus. Dann legte Jakob ein Gelübde ab: »Wenn der HERR mir beisteht«, sagte er, »wenn er mich bewahrt auf der Reise, die ich jetzt antrete, wenn er mir Nahrung und Kleidung gibt und wenn ich wohlbehalten wieder nach Hause zurückkomme, dann soll er allein mein Gott sein. Hier an dieser Stelle, wo ich den Stein aufgestellt habe, soll dann ein Heiligtum für ihn errichtet werden. Von allem Besitz, den er mir schenken wird, werde ich ihm den zehnten Teil geben.«

Erwachen

Bergsteiger, die in einer steilen Wand biwakieren müssen, seilen sich so an, dass sie auch im Schlafsack nicht in die Tiefe abstürzen können. Ich stelle mir vor, dass sie ein Schauer überfällt, wenn sie aus dem Tiefschlaf aufwachen und in den wenigen Sekunden des Zu-sich-Kommens den Abgrund unter sich registrieren. So ging es wohl auch Jakob, der nicht in einer steilen Wand hing, sich aber zwischen Himmel und Erde wiederfand, weil er von Gottes Leiter berührt worden war. Gerade noch war er in Gottes Hand, ließ sich Schutz und Begleitung bis zurück nach Hause zusprechen, jetzt sitzt er wieder in der bitteren, einsamen Realität, seine Gefährten ein paar große Steine. So wundert es nicht, dass er die Gotteserfahrung mit einem Altar festhält und Gott verspricht, eine Gedenkstätte einzurichten und ein Zehntel seines Besitzes zu spenden, wenn sich die Verheißung Gottes wirklich erfüllen sollte. 

Unsere Vormütter und -väter haben hier vor gut 100 Jahren eine Kapelle gebaut, weil sie Erfahrungen wie Jakob gemacht hatten. Sie wurden von Gott berührt und sahen den Himmel offen. Sie wollten, dass auch andere und folgende Generationen diesen offenen Himmel erlebten und schufen dafür die äußeren Voraussetzungen. Die Kapelle war für sie Erinnerungszeichen und gleichzeitig Ort der neuen Gotteserfahrungen für neue Menschen.

Heute ist für uns wichtig, klar zu bekommen, warum wir hier in Brombach Gemeinde sind und unser schönes Gotteshaus weiter mit viel Liebe pflegen, gestalten und offen halten.

Jesus kommt zu uns in seinem Heiligen Geist, unser Kirchenfenster zeugt davon. Er ist uns nahe trotz und sogar wegen allem, was bei uns schief läuft. Er sagt uns zu: „Ich lasse dich nicht im Stich und tue alles, was ich dir versprochen habe.“ Er gibt einen neuen Auftrag: Du sollst ein Segen sein!

Womit, wenn nicht mit diesem offenen Himmel, können wir unsere Mitmenschen hierher einladen. Sie wollen wir ermutigen, Jesus eine Chance zu geben, ihn in ihr Leben einzuladen, ihm eine Chance zu geben, sie zu berühren.

Die Jünger haben einander weitererzählt, was sie mit Jesus erlebt haben, und einander gesagt: „Komm und sieh“! (Johannes 1,46) „Komm und sieh!“, was du in unserer Gemeinde erleben kannst. Es kommt nicht darauf an, dass du etwas tust oder dich irgendwie verhältst, sondern halte inne, raste, lass deine eigenen Gedanken los wie Jakob. Lass Gott mit dir reden: „Ich segne dich, und du sollst ein Segen sein.“

Cornelia Trick


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