Grund zur Freude
Gottesdienst am 29.06.2003

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
unser heutiges Thema "Grund zur Freude" wird von zwei Ausgangspunkten her entfaltet. Am 17.6. feierten wir John Wesleys 300. GeburtstagJohn Wesleyein Anlass über das Leben und Wirken unseres Kirchenvaters nachzudenken. Der andere Ausgangspunkt bezieht sich auf die zu Pfingsten begonnene Predigtreihe zu den Früchten des Heiligen Geistes. Wir werden uns John Wesley mit der Fragestellung nähern, wie die Freude als eine wichtige Frucht des Heiligen Geistes in seinem Wirken zum Ausdruck kam. Und natürlich ist das auch eine Frage an uns, wie Freude sich in unserem Leben äußert.

John Wesley hielt am 1.1.1739 Folgendes in seinem Journal fest: "Wir feierten mit der Gemeinde in London ein Liebesmahl zum Neujahrstag. Die Kraft Gottes kam mächtig auf die Gemeinde. Viele riefen vor überwältigender Freude laut auf. Sobald wir uns ein wenig von jener Ehrfurcht und jenem Staunen in der Gegenwart Gottes erholt hatten, riefen wir mit einer Stimme: Wir preisen dich, o Gott; wir erkennen dich als den Herrn." (Zitate nach Stephen Tomkins, John Wesley, 2003)

Die Freude, die hier beschrieben wurde, ist kein natürliches Lebensgefühl, sondern eine mächtige Erfahrung der Gegenwart Gottes. Diese Freude verändert und führt zum Lob Gottes. Sie rückt die Perspektive zurecht. Die Gegenwart Gottes erhebt aus den Mühsalen und Ängsten des Alltags, sie heilt Schmerz, Verletzung und Zorn, sie lässt aufatmen und frei sein. 

Im Goldenen Kapitel der Bibel, Lukas 15, erzählt Jesus drei Gleichnisse, die von der Freude handeln. Es geht etwas verloren und wird wiedergefunden, Grund zur Freude. 

Im ersten Gleichnis geht von 100 Schafen eines verloren. Der Schäfer sucht es und findet es schließlich:

Lukas 15,6-7
Und wenn er heimkommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir; denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war. Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen.

Im zweiten Gleichnis verliert eine Frau von zehn einen Silbergroschen, sie stellt das ganze Haus auf den Kopf, um ihn zu suchen:

Lukas 15,9-10
Und wenn sie ihn gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen und spricht: Freut euch mit mir; denn ich habe meinen Silbergroschen gefunden, den ich verloren hatte. So, sage ich euch, wird Freude sein vor den Engeln Gottes über einen Sünder, der Buße tut.

Im dritten Gleichnis verliert ein Vater seinen jüngsten Sohn. Der zieht in die Fremde. Doch als er dort bei den Schweinen landet, kehrt er zum Vater zurück. Der nimmt ihn voller Freude wieder auf. Doch der ältere Bruder neidet dem Jüngeren das Heimkehrerfest. Der Vater aber ... 

Lukas 15,31-32
... sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.

Die drei Beispielgeschichten bringen zum Ausdruck, wie sehr Gott sich freut, wenn er einen Menschen gewinnen kann. Ja, der ganze Himmel lacht und feiert. Diese himmlische Freude findet Fortsetzung in der Freude der Menschen. So fordert der Vater den älteren Sohn auf, sich über den wieder gefundenen Bruder mitzufreuen. 

Wie äußert sich Freude?

Vier Worte können die Auswirkungen der Freude umschreiben:
  • ein Fest,
  • die Gewissheit, Heiligen Geist zu erfahren,
  • Befreiung von Belastungen und
  • Versöhnung.
Fest
Ein spontanes Fest wird gefeiert wie bei den Beispielgeschichten aus dem Lukasevangelium. Ein Fest war damals ein außergewöhnliches Ereignis, es war eine Ehre, zu einem Fest eingeladen zu werden. Man konnte gut und reichlich essen, man musste nicht arbeiten, man war in Gesellschaft und erlebte Abwechslung von dem anstrengenden Alltag. 

Heute können wir den Stellenwert eines Festes wohl kaum noch nachvollziehen. Vielleicht wird uns das eine oder andere Fest sogar lästig, weil es zu viele davon gibt und wir die Grillwurst nicht mehr riechen können. Schade, denn ein Fest kann auch heute noch aus dem Alltag heraus heben. Vor allem dann, wenn wir uns über Gottes Wirken und Finden freuen, ein neues Gesicht in unserer Gemeinde willkommen heißen können.

Gewissheit

Die Gewissheit, den Heiligen Geist zu erfahren, lässt uns freuen. Die Gemeinde in London wurde von dieser Freude ergriffen, die den Verstand und das Gefühl zusammen bringt. Jesus ist ins Leben eingezogen, das wird zur ganzheitlichen Erfahrung. Unser Jugendkreis hat es so in Wiedenest bei der Jugendkonferenz zu Pfingsten erfahren. Sie wurden hineingenommen in die Gemeinschaft mit Jesus Christus und empfanden Freude, die sie die unmittelbare Gegenwart Gottes spüren ließ. 

Befreiung

Wer sich freut, kann nicht gleichzeitig von Alpträumen in die Enge getrieben werden. Freude befreit von Belastungen und gibt Abstand vom Alltag. Ich stelle mir das so vor, als ob die Freude uns auf einen hohen Berg hebt, wo wir in unmittelbarer Nähe Gottes stehen. Von dieser Position aus sehen wir auf unser Lebensumfeld herab und merken auf einmal, wie klein die Sorgen des Alltags werden. Probleme, die uns die Luft zum Atmen genommen haben, reihen sich ein in andere Themen, die uns beschäftigen. Wichtiges ragt deutlich heraus. Die Freude gibt uns eine Verschnaufpause und den rechten Blick für die Realitäten. Sie lässt uns erkennen, dass wir nicht allein sind, sondern Gott dabei ist, der den Überblick hat.

Versöhnung

Freude bewirkt Versöhnung. Wer sich freut, dass Gott ihn gefunden hat, der kann mit seinen Mitmenschen nicht weiter im Krieg leben. Diese Freude verlangt nach Frieden. Der Vater im Gleichnis hält den älteren Sohn dazu an, sich mit dem Bruder aus der Freude heraus zu versöhnen. Und was ist, wenn dieser Wunsch nach Versöhnung nur einseitig besteht? Wenn der andere in die ausgestreckte Hand nicht einschlagen will? Dann werden wir eine andere Frucht des Geistes brauchen, die Geduld, die uns am anderen nicht verzweifeln lässt und Gott zutraut, auch nach langer Zeit Frieden zu wirken.

Wir haben heute Grund zur Freude, dass

  • Gott uns gefunden hat,
  • er Ja zu uns sagt und uns darüber Gewissheit schenkt,
  • er uns von Belastungen befreit und
  • Versöhnung von uns ausgehen kann und
  • wir Mut zu den nächsten Schritten bekommen.
Was steht der Freude entgegen?
Geistige Müdigkeit hält uns häufig davon ab, uns zu freuen. Wir sind getrieben von Notwendigkeiten und Zeitplänen, unser Denken ist von allen möglichen Themen in Anspruch genommen, Stress lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Da bleibt kein Raum um nachzufragen, wo ich gerade die Gegenwart Gottes erlebt habe. Nicht jeder Stress ist berufsbedingt oder familiär bedingt. Manchen Stress machen wir uns selbst und wundern uns, dass wir nach Feiertagen, die wir im Stau und bei herausfordernden Freizeitunternehmen verlebt haben, wie gerädert sind und uns kein bisschen erholt fühlen. Wirkt es da so erstaunlich, dass manche Politiker auf die Idee kommen, kirchliche Feiertage abzuschaffen, wo doch selbst Christen nicht feiern, sondern ihre Freizeit bearbeiten?

Mit der geistigen Müdigkeit geht of die geistliche Müdigkeit einher. Wo ich abgekämpft bin und nur noch schlafen will, ist Bibellesen höchstens noch eine vertraute Einschlafhilfe. Es kann keine neue Kraft mehr zufließen, die Gewissheit schwindet, die Freude stirbt. Der ältere Sohn im Gleichnis wurde nach anstrengender Feldarbeit mit der Heimkehr seines Bruders konfrontiert. Er war nach monatelanger Arbeit für zwei einfach müde und ausgezehrt. Für das Wesentliche hatte er keinen Blick mehr. Statt sich über seinen Bruder zu freuen, fragte er mürrisch, warum kein Fest für ihn stattfand. Sind wir geistlich müde, passiert uns das auch. Statt uns über die Neue im Hauskreis zu freuen, sind wir verletzt, dass sich alle um sie scharen und keiner nach unserem Ergehen fragt. Diese Müdigkeit führt zur Entfremdung von Jesus Christus. Der Geist Gottes ist nicht mehr die zentrale Lebenskraft, stattdessen schleichen sich Neid und Nabelschau ein.

Auch die Gewöhnung vertreibt die Freude. Stellen Sie sich zwei Schüler vor. Der eine bringt immer Einsen nach Hause. Der andere tut sich schwer, gute Noten sind für ihn sichere Vieren. Wer löst zu Hause über eine Eins größere Freude aus? Wohl der, der sonst die Vieren hat. Warum eigentlich? Weil wir nur das Besondere registrieren? Weil wir selbst gegenüber Einsen abstumpfen?

Zwei Christen lesen zusammen die Bibel, die eine glaubt schon lange, die andere ist erst vor kurzem zum Glauben gekommen. Sie lesen den gleichen Text. Die eine nickt und stellt fest, dass sie das schon ziemlich oft gelesen hat, die andere ist ganz außer sich vor Freude über die Zusagen. Können wir uns an Gottes Verheißungen gewöhnen? Sind sie uns so in Fleisch und Blut übergegangen, dass wir sie gar nicht mehr mit dem Herzen hören?

John Wesley schrieb 11 Jahre, nachdem die methodistische Bewegung entstanden ist: "Wenn wir vor ein paar Jahren hörten, dass ein notorischer Sünder sich wahrhaft zu Gott bekehrt hatte, war dies Anlass zu feierlicher Freude für alle – nun werden täglich Scharen von Menschen aller Art und Schicht zu Gott bekehrt - wir gehen darüber hinweg, als wäre es etwas ganz Gewöhnliches! O Gott, gib uns dankbare Herzen."

Wie können wir den Heiligen Geist Freude wirken lassen?

Wir sollten ihm mehr Raum geben. Dazu gehört, unser persönliches Pflichtenprogramm zu durchleuchten. Ist jeder Programmpunkt wichtig? Ist mein Stress vielleicht Selbstbestätigung, dass ich unabkömmlich bin? Oder fliehe ich vor der Ruhe? Was fördert meine Freude? Eine Gruppe von Christen, die ihre Erfahrungen teilt? Ein gutes Buch, das mir hilft, geistlich aufzutanken? Ein Seelsorger, eine Seelsorgerin, die sich Zeit für mich nimmt?

Mehr Raum geben wir dem Heiligen Geist in der Freude über Verlorenes und Wiedergefundenes, genau so wie in den drei Gleichnissen im Lukasevangelium. Dazu ist Gemeinde da, um diese Erfahrungen zu machen und daraus Freude für das eigene Leben zu bekommen.

Loben und Danken fördert unsere Freude. Auch wenn es täglich dieselben Themen sind, für die wir danken können, wir sollten uns nicht daran gewöhnen und sie als selbstverständlich und uns zustehend hinnehmen. Wir bringen uns sonst um die Freude.

Loben und Danken können wir auch im Leid. Da wird unser Blick auf den göttlichen Rettungsring gelenkt, der uns herausziehen kann aus dem Leid und uns in die Zukunft bringen wird.

Die "Happy Pills" der Bibel schenken uns Freude. Gemeint sind die Verheißungen Gottes, die uns ermutigen wollen und uns auch in unmöglichen Situationen anschieben wollen, um Gottes Gegenwart neu wahrzunehmen. Eine solche "Happy Pill" ist ein Wort Esras, das er dem Volk Israel zusprach, als es große Angst vor der Zukunft hatte: Geht nun, esst und trinkt! Nehmt das Beste, was ihr habt, und gebt auch denen etwas, die nichts haben. Der heutige Tag ist ein Festtag zur Ehre des Herrn! Macht euch keine Sorgen, denn die Freude am Herrn ist eure Stärke! (Nehemia 8,10)

Cornelia Trick


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